56 149 Zu Person von Wilhelm Frick, vgl. Neliba (1992). 150 Vgl. Rossol/Ziemann (2023). Dazu kamen die beiden Gleichschaltungsgesetze, das Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 31. März 1933 sowie das Zweite Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich vom 7. April 1933, welches die Reichstagswahlergebnisse auf die Länderparlamente übertrug – ohne Berücksichtigung der KPD – und die Möglichkeit bot, die Länderverfassungen zu umgehen, vgl. BArch R 43-II/1309. 151 Vgl. Nr. 159 Neugliederung des Thüringer Polizeischulwesens (1. 4. 1930), zit. nach Münzel (2013), S. 221; dazu auch Nr. 160/161, ebd., S. 222–224; zur Machtergreifung und zum Ermächtigungsgesetz in Thüringen vgl. Nr. 157 Das »Ermächtigungsgesetz« für Thüringen (29.3.1930), zit. nach ebd., S. 217, sowie Dieckmann (1996). Die Regierung kam durch eine Koalition aus DNVP, DVP, Landbund, Mittelstandspartei und NSDAP zu Stande, vgl. Esche (2017), S. 68–78. 152 Bereits 1930 wurden ein Ermächtigungsgesetz sowie ein Berufsbeamtentumsgesetz erlassen, in welchen man die Vorlage für die Gesetze des Reiches aus dem Jahr 1933 sehen kann, vgl. Raßloff (2015); zu Sauckels späterer Karriere als Beauftragter für Zwangsarbeit vgl. Vergin (2008), S. 94–110. WILHELM FRICK ALS CHEF DER POLIZEI UND VORDENKER DES STAATSUMBAUS Der bereits erwähnte Wilhelm Frick beeinflusste mit seiner Verantwortlichkeit als Reichsinnenminister die Reichstagswahlen vom 5. März 1933 maßgeblich. Als Innenminister und Reichswahlleiter oblagen ihm bei der Organisation und Durchführung der Wahlen geeignete Mittel, um KPD und Sozialdemokraten an der Wahl zu hindern. Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4. Februar gewährte ihm und Hermann Göring, die sich die Leitung des Innenressorts teilten, weitreichende Befugnisse – von der Einschränkung der Pressefreiheit und der freien Rede bis hin zur Legalisierung politischer Gewalt. Und mit der Zuständigkeit für die Polizei konnte er die Vorschriften im Sinne der NSDAP durchsetzen, unterstützt durch das Reichsjustizministerium.149 Als Reichsminister war Frick für die Korrumpierung des demokratischen Weimarer Staates ebenso verantwortlich wie für die Aufhebung des Föderalismus: Mit Hilfe von Reichskommissaren gelang es, wie bereits der Fall Preußens zeigte, die Hoheit der Länder auszuschalten und einen zentralistischen Parteienstaat zu schaffen. Der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 lieferte einen Vorwand für den Erlass der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat (die sogenannte Reichstagsbrandverordnung), mit der die Grundrechte de facto außer Kraft gesetzt wurden. Zugleich wurde damit die für den NS-Staat kennzeichnende Praxis etabliert, per Verordnung und Erlass die Gesetzgebungskompetenzen der Verfassung zu umgehen. Frick oblag es, den Rahmen für die nationalsozialistische Staatsreform zu schaffen.150 Flankieren konnte er den Umbau des Staates auch von innen. Durch sein Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 konnten alle der NSDAP missgünstigen und störenden Personen und Organisationen aus dem Verwaltungsapparat beseitigt werden. Auf der Ebene des Reiches, der Länder bis hin zu den Kommunen mussten Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, aber auch zahlreiche Frauen ihre Positionen an die Wunschkandidaten der NSDAP-Verbände abtreten und nach und nach auf ihre Stellung, ihr Einkommen und ihre Pensionen verzichten. Wilhelm Frick hatte zuvor bereits in Thüringen Gelegenheit gehabt, Wissen und Praxiserfahrung bei der Zerstörung und Hintergehung eines Gemeinwesens zu sammeln. Für Hitlers Absichten schien er daher bestens geeignet. Das Land Thüringen war, wenn es um nationalsozialistische Machtentfaltung und die Wegbereitung des NS-Staates ging, bereits 1930 vorangegangen. Zunächst als Innenminister und Leiter des Volksbildungsressorts – auch hier in einer Schlüsselposition für die Diffusion rassistischer und diskriminierender Herrschaftsstrukturen in das Staatswesen – hatte Frick den erfolgreichen Versuch unternommen, der NSDAP in die Schaltstellen der Landesverwaltung zu verhelfen. Die Koalitionsregierung, geführt von Erwin Baum vom Thüringer Landbund und Wilhelm Frick, verfügte dabei über eine bequeme Mehrheit; modellhaft ließ sich auf der regionalen Ebene das umsetzen und antizipieren, was auch auf der Reichsebene ein paar Jahre später stattfinden sollte.151 Als Volksbildungsminister konnte Frick weitreichenden Einfluss beispielsweise auf die öffentlichen Bibliotheken und die Hochschulpolitik nehmen sowie die Lehrerschaft nach völkischen und rassistischen Kriterien austauschen. Mit der Gesetzesnovelle vom 29. März 1930 war es möglich, die Verwaltung zu reorganisieren und großzügig mit Personal aus der NSDAP zu besetzen. SITUATION IN SACHSEN UND THÜRINGEN In einem Vorgriff auf seine spätere Tätigkeit als Reichsinnenminister und oberster Dienstherr der Polizei baute Frick in seiner Thüringer Zeit die Polizeiverwaltung um, bündelte alle Kompetenzen beim Innenministerium und zog für die neue Landespolizei alle Aufgaben von der Gemeindeebene ab. Dabei gingen die Maßnahmen sogar weiter als das etwa in Sachsen nach 1933 der Fall war. Nach der Landtagswahl 1932 konnte die NSDAP als stärkste Fraktion unter Einbeziehung des Landbundes unter Fritz Sauckel als Leitendem Staatsminister das Land nach Gutdünken zu einem frühen Mustergau umgestalten, ab 1942 sollte Sauckel Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, also die europaweite Zwangsarbeit werden.152 Frick wechselte 1933 als Innenminister nach Preußen und teilte sich mit Hermann Göring die Funktion des Reichsinnenministers. Die in Thüringen etablierten Strukturen dienten sodann bei der
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