Leseprobe

58 162 Vgl. Hein (2012), S. 264–266: angestrebt war eine Verschmelzung von Polizeidiensten und SS zu einer Art ›Staatsschutzkorps‹. Vgl. auch Wilhelm (1999). Für die Ausbildung in den Lehranstalten war die zivile Tätigkeit der Anwärter eine Voraussetzung für eine spätere Profilierung und spezielle Aufgabengebiete, vgl. BArch R 19/323, Bl. 75. 163 Zit. nach Wildt (2003), S. 856. 164 Vgl. Neufeldt (1957), S. 95–101. Zur Zahl der Polizeiangehörigen vgl. auch Klemp (2011), S. 75–77. 165 Der Einsatz von Reserve- und Polizeibeamten aus dem Innendienst wurde unterstützt bzw. ermöglicht durch die Verordnung über die Einstellung von Wehrpflichtigen in die Schutzpolizei des Reiches vom 31.10.1939. Durch Personalengpässe motiviert, griff die Polizei auch auf ›Volksdeutsche‹ aus den besetzten polnischen Gebieten, vgl. Deppisch (2017), S.163–168. 166 Nochmals abgesenkt wurde es ab 3.10.1941 auf den Geburtsjahrgang 1890, vgl. BArch R 19/304, Bl.181–185. 167 Auf Formen der Altersdiskriminierung reagierte das Hauptamt ORPO mit Rundschreiben, in denen abfällige Äußerungen über älteres Personal sanktioniert wurden. Darin zum Ausdruck kommt die heterogene Zusammensetzung der Truppen, jedoch auch Defizite im sozialen Umgang und Hintergrund, vgl. R19/308, Bl.16 –17. 168 Vgl. dazu etwa Dierl (2011). Zu den Befehlshabern und dem Hauptamt: Dierl (2001). 169 Vgl. Wildt (2003) S. 205; vgl. auch Hein (2012), S. 91. Zu Daluege bzw. Wünnenberg vgl. Wilhelm (1999), S.198 bzw. S. 237. 170 Vgl. auch Paul/Mallmann (2003). die Festigung des ›Deutschen Volkstums‹ zu sorgen oder die Bewachung und Beaufsichtigung der jüdischen Ghettos vorzunehmen. Ein bedeutender Platz in der Politik der nationalsozialistischen Terrorherrschaft kam der Ordnungspolizei in dem Moment zu, als sie neben SS und Wehrmacht an Massenerschießungen und gezielten Tötungen teilhatte. Im Schatten der Wehrmacht operierten SS und ORPO in den besetzten Gebieten und entwickelten dabei eine beträchtliche unterdrückerische Eigeninitiative. Mit dem Fortschreiten des Krieges und erst recht nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 waren die Verfolgung und Bestrafung sogenannter Banden und Partisanengruppen sowie Massenmorde das wichtigste Aufgabenfeld der Ordnungspolizei geworden. Die Ordnungspolizei beteiligte sich von Anfang an an nationalsozialistischen Verbrechen und am Terror. Sie leistete nicht nur Amtshilfe; bezogen auf ihre quantitative und qualitative Dimension sowie ihre Verbindungen zu Wehrmacht und SS war sie eine spezifisch nationalsozialistische Institution. Mit seiner Ernennung zum Chef der Deutschen Polizei am 17. Juni 1936 konnte Heinrich Himmler die unter Wilhelm Frick begonnene Reform umsetzen, den Ländern die restlichen Kompetenzen zu entziehen und die Polizeigewalt in seinen Händen zu zentralisieren.162 Die Polizei und der SD sollten, so Himmler, »das deutsche Volk als organisches Gesamtwesen, seine Lebenskraft und seine Einrichtungen gegen Zerstörungen und Zersetzung« sichern.163 Himmler konnte, nachdem er die Kompetenzen für die Polizei vom Innenministerium übernommen hatte, einen kombinierten Polizei- und Sicherheitsapparat als zentrales Instrument der nationalsozialistischen Terror- und Unterdrückungsherrschaft sowie zur Verwirklichung seiner völkischen und ›rassenpolitischen‹ Ziele aufbauen; dabei führte er die unter Frick begonnene Arbeit konsequent weiter und differenzierte sie. Von 1933 bis 1937 betrug die Stärke der Ordnungspolizei in etwa das Niveau von 100 000 Polizeibeamten, das auch zuvor bestanden hatte. Zwischen 1938 und 1939 lag dieses etwa bei 131 000 Personen. Zu Kriegszeiten stieg die Zahl der Angehörigen beträchtlich und nach einer Verdopplung in den ersten Kriegsjahren auf ca. 244 500 bis 276 000 hatte die Ordnungspolizei ihre Mitglieder bis 1944 schließlich auf die Zahl von 3,5 Millionen, einschließlich der Hilfspolizisten, nahezu verzehnfacht.164 Das personelle Reservoir der Ordnungspolizei wie der SS speiste sich aus den mittleren sozialen Schichten. Während die ORPO-Führungskräfte im Durchschnitt zumindest weiterführende Schulen besucht und eine Berufsausbildung etwa im Handwerk oder auf niedrigen Verwaltungsebenen abgeschlossen bzw. eine Polizeilaufbahn durchlaufen hatten, kamen für die SS eher akademisch gebildete Kräfte in Frage.165 Das Höchstalter für Reservisten wurde ab dem 2. Juli 1941 angepasst und sah ausnahmsweise Personen über 40 Jahre im auswärtigen Einsatz vor.166 Das mit Kriegsbeginn steigende Alter vieler Führungskräfteanwärter war für den Zusammenhalt der Ordnungspolizei zumindest anfänglich konfliktbeladen.167 Die Gründung des Hauptamtes der Ordnungspolizei durch Himmler 1936 war Teil einer großen Polizeireform.168 Damit erfolgte eine Kompetenzbündelung auf Reichsebene. Mit einer Zweiteilung der Polizei in Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei bzw. Sicherheitsdienst (SD) in zwei Hauptämter konnte Himmler weite Teile der Exekutivgewalt kontrollieren. Chef des Hauptamtes der Ordnungspolizei wurde Kurt Daluege und nach dessen Ablösung Alfred Wünnenberg als SS- Obergruppenführer und General der Polizei ab 1943. Das Reichssicherheitshauptamt leitete Reinhard Heydrich, der zugleich einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der europäischen Juden war. Mit der Gestapo und dem SD als »›Kämpfende Verwaltung‹« verfügte er über die ideale Institution für die Umsetzung des Anspruchs, die Gegner des Nationalsozialismus zu vernichten und den NS-Staat vor ihnen zu bewahren.169 Der SD war schon 1931 als Geheimdienst der NSDAP gegründet und systematisch zu einem Nachrichtendienst aufgebaut worden, der eng mit der Gestapo zusammenarbeitete. Einen Teil der Sicherheitspolizei bildete die Gestapo, die als politische Polizei ihre Vorläufer unter anderem in der Grenzpolizei vor 1933 hatte. Diese war als politische Polizei weniger ein mächtiger Geheimdienst als vielmehr die Institution, die alle denunziatorischen Initiativen bündelte, um sie in Gewalt gegen den politischen Gegner zu übersetzen.170

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