128 470 Zur Reorganisation der einstigen SS-Verbände, den Möglichkeiten von Rehabilitation sowie den Schlupfwinkeln der Entnazifizierung seit den Nürnberger Prozessen und in der frühen Bundesrepublik vgl. Eichmüller (2018), S. 19–129. 471 Zur Abteilung Gesundheitswesen der SMAD vgl. Perkow (2009) S. 446–455. 472 Zur sowjetischen Besatzung in der SBZ und DDR vgl. Meißner/Morré (2019). 473 Dafür bietet allerdings die Nutzung des noch nicht erschlossenen Bestandes 5.3.2 ›Stadtbezirksversammlung und Rat des Stadtbezirkes Nord‹ sowie Quellen der mündlichen Überlieferung ein großes Potenzial. 474 Vgl. SächsStA 12828/68, Bl. 28. Vgl. auch Kowanda (1998), S.19; ab Juni 1945 unter der offiziellen Bezeichnung Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen, ab 1954 Gruppe der sowjetischen Truppen/Streitkräfte in Deutschland (GSTD/GSSD), von 1989 bis 1994 Westgruppe der Truppen (WGT). Die 11. Garde-Panzer-Division bezog auch im benachbarten Klotzsche Stellung; in Hellerau war darüber hinaus ein luftbeweglicher Gefechtsstand des Stabes für den Bereitschaftsfall stationiert, vgl. Berndt/Kowanda (2004), S. 6 f. 475 Vgl. auch die Befunderhebung und Untersuchung der Putzdatierung LfD 9934; LfD 9195 sowie zur Bestandserfassung der Farbgestaltung im Gebäudeinneren LfD 9200 und LfD 9449. 476 Vgl. LfD 1317-2; LfD 9197. DIE ROTE ARMEE IM FESTSPIELHAUS UND IN HELLERAU Mit dem Kriegsende im Mai 1945 verband sich für die Hellerauer Bevölkerung sicherlich das Ende kriegsbedingter Entbehrungen und Ungewissheiten, für viele die Erwartung einer neuen Zeit und für nicht wenige die Hoffnung auf einen (mitunter radikalen) biografischen Schnitt, der im Osten Deutschlands unter ganz anderen Rahmenbedingungen stattfand, als in den westlichen Besatzungszonen.470 Für die Angehörigen der Roten Armee hingegen war die Ankunft in Hellerau verbunden mit der lang ersehnten und unter Millionenopfern erkämpften Niederlage des Deutschen Reichs und zugleich der Beginn einer mehr als vierzig Jahre währenden militärischen Präsenz in der Gartenstadt, in der es sich für längere Zeit einzurichten galt. Für den Garnisonsstandort der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte in Dresden sollte auf dem Festspielhausgelände fortan eine Sanitätskompanie für die medizinische Versorgung etabliert werden.471 Das vom Krieg unversehrte Gebäudeensemble schien mit seiner Konfiguration sowie durch seine räumliche Offenheit und Schlichtheit abermals für eine militärische Nutzung geeignet. In der Zeit der Stationierung der Roten Armee bzw. der Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) war das Areal des Festspielhauses nur bedingt isoliert. Die Kontakte nach außen waren durchaus von vielfältiger Qualität.472 Für diese lassen sich in der örtlichen Überlieferung einige Spuren finden, die einen Eindruck vom Zusammenleben mit den neuen Nachbarn geben. Eine eingehende Betrachtung der Anwesenheit der sowjetischen Truppen in der Gartenstadt und auf dem Festspielhausgelände wird durch diese zumindest bis zum Beginn der 1950er Jahre ermöglicht. Eine vertiefte und systematische Untersuchung des Zeitraums von 1950 bis 1990 ist gegenwärtig ein Desiderat der Forschung.473 UMBAUTEN UND ERWEITERUNGEN DES POLIZEIGELÄNDES Die in Dresden, Hellerau und Umgebung stationierten Truppen gehörten ursprünglich der 1. Weißrussischen Front unter Marschall Schukow an; zwischen dem 6. und 7. Mai erreichten sowjetische Truppen der 4. und 5. Gardearmee von Norden auch das Stadtzentrum Dresdens. Mit der Übergabe Dresdens an die Rote Armee am 8. Mai bezogen die Einheiten der 11. Garde-PanzerDivision das erst kürzlich verlassene Gelände der Polizeiwaffenschule; fortan sollte die Garnison bis zum Abzug 1991 in Hellerau bleiben.474 Die Inbesitznahme durch die sowjetischen Streitkräfte zog eine weitere Umgestaltung des Festspielhausgeländes nach sich; in der Zeit zwischen 1945 und dem Abzug der sowjetischen Garnison wurden nochmals bedeutende Eingriffe an der Bausubstanz des Festspielhauses und der umliegenden Gebäude vorgenommen. Da im Vergleich zur NS-Zeit keine Bauakten existieren, lassen sich die Veränderungen nur ansatzweise durch Baubefunde und Untersuchungen aus der Gegenwart rekonstruieren. Das Festspielhaus erhielt nach 1945 einen Außenanstrich in dunkler Farbe und verlor damit seine auf das Ortsbild angepasste Erscheinung. Im Inneren bekamen die Räume verschiedene Anstriche, unter anderem mit blauen oder gelben Sockeln und wurden mit vereinzelten Wandbemalungen versehen, etwa Piktogrammen im Bereich der Turnhalle.475 Ergänzt wurden zahlreiche Fensteröffnungen in der Außenmauer für ein neues Raumprogramm, vor allem auf der Nordseite. Die Eingriffe in die Bausubstanz des Gebäudebestands nach 1945 waren jedoch weit weniger umfangreich als die einstigen Umbauten Ernst Pollacks. Das sich von Norden nach Süden ausdehnende Funktionsgebäude Pollacks wurde um einen sich östlich anschließenden Flügel ergänzt, in dem zahlreiche Garagen untergebracht wurden. Ein zusätzlicher Garagenbau bzw. Fahrzeugunterstand wurde nördlich, etwa im Bereich des einstigen Spielplatzes der früheren Rhythmikanstalt, errichtet. Für die Ausführung der Böden kamen graue Betonplatten in Frage – diese bildeten die Grundlage für die gegenwärtige Zuwegung innerhalb des Gebäudes –, zahlreiche Fenster und Türen wurden für die neue Raumkonfiguration ergänzt; man orientierte sich in der Ausführung auch an der baulichen Vorlage Tessenows.476 Spuren der neuen Nutzer lassen sich heute noch an der Außenfassade der Lichthöfe erkennen; so sind etwa zahlreiche Inschriften am Mauerwerk über den östlichen Oberlichtsälen in kyrillischer Schrift in den Putz gekratzt. Ein
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1