129 Beispiel für die gestalterische Überprägung des Festspielhauses durch die Rote Armee bilden die noch erhaltenen Wandgemälde im östlichen und westlichen Treppenhaus. Sie zeigen Szenen der Rückeroberung des von Deutschland besetzten Territoriums in Mittel- und Osteuropa mit Vormarschrouten und Kampfszenen und enthalten eine Darstellung des Sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Treptow.477 Der Aktionsraum der sowjetischen Streitkräfte in Hellerau umfasste zumindest zeitweise auch Bereiche nördlich des Moritzburger Wegs; dort angrenzende Areale im Bereich des Hellergeländes wurden von der SMA etwa für den Einschlag und den Abtransport von Holz zur Versorgung der Dresdner Garnisonen in Anspruch genommen.478 In Verbindung mit dem Garnisonsstandort des Festspielhauses standen die von der GSSD genutzten Truppenübungsplätze in Zeithain und Königsbrück sowie der nahe Dresdner Heller und in Besitz genommene Liegenschaften der Luftkriegsschule an der heutigen Königsbrücker Straße und in der Albertstadt. NACHBARSCHAFT MIT DER ROTEN ARMEE Die Anwesenheit der neuen sowjetischen Nachbarn in der Gartenstadt war nicht frei von Konflikten, was sich vorrangig anhand ihrer aktenkundlichen Überlieferung illustrieren lässt. Durch die Präsenz der Roten Armee auf dem Festspielhausgelände schien das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zunächst zu wachsen. In der Folge eines Einbruchs in einer ortsansässigen Gärtnerei, bei dem Angaben über Uniformierte gemacht wurden, die aus Richtung der einstigen Polizeischule gesehen wurden, sollte die Polizeipräsenz erhöht werden, um ein befürchtetes Auskundschaften umliegender Grundstücke durch vermeintliche russische Eindringlinge zu unterbinden.479 Neben den harmlosen Kontakten zur Bevölkerung bedeutete die Einquartierung sowjetischer Truppen für viele Bewohnerinnen und Bewohner vor allem eine Einschränkung ihrer Wohnverhältnisse und brachte die Beschlagnahmung von Gebrauchsgegenständen sowie durch den zusätzlichen Verbrauch an Nahrungs- und Heizmitteln deutliche Entbehrungen mit sich. Besonders die beiden großen Vermieterinnen im Ort, Gartenstadt-Gesellschaft und Baugenossenschaft, waren direkt von der Belegung von Wohnraum durch die sowjetische Besatzung betroffen. Das bedeutete meist Mietausfälle, da die Besatzungskosten nicht direkt an die Vermieter gezahlt wurden, sondern mit hohem bürokratischem Aufwand von den Landkreisen zurückgefordert werden mussten. Diese waren ihrerseits oftmals erfolglos bei der Forderung von Rückerstattungen von den Kommandanturen. Erschwerend kam hier der nur allmähliche Aufbau von Verwaltungsstrukturen hinzu und die Tatsache, dass sich erst eine Routine in den Verwaltungshandlungen, gerade mit der Roten Armee, entwickeln musste. Die Einquartierungen sowjetischer Soldaten in Privatwohnungen erzeugten wiederum Wanderungsbewegungen ausquartierter Personen.480 Auch in anderen Fällen gestaltete sich das Zusammenleben in den frühen Jahren der sowjetischen Besatzung nicht immer harmonisch. Demontagen und Wohnungsbesetzungen stellten schwerwiegende Eingriffe dar. In den im Vergleich dazu weniger gravierenden Fällen ging es zumeist um Diebstähle und Bereicherungen von Angehörigen der örtlichen Militärverwaltung, wie ein Fall der Deutschen Werkstätten zeigt, bei dem offenbar das kriminelle Verhalten zweier Soldaten Anlass zu Beschwerden bzw. der Meldung an die örtliche Polizeidienststelle gab. Ähnliche Delikte waren keine Seltenheit und wurden auch in anderen Kommunen durch Angehörige der Roten Armee begangen, durchaus zum Missfallen ihrer Vorgesetzten, denen auch an Disziplin und damit Akzeptanz durch die einheimische Bevölkerung gelegen war. Solches Verhalten schien jedoch auf Gegenseitigkeit zu beruhen und den Fremden keineswegs ausschließlich anlastbar und weder mit ihrer Herkunft noch mit ihrer Mentalität begründbar: Ob der Erlass der Gemeinde vom 27. Mai 1947, die kommunale Wachmannschaft habe das Gebäude der ehemaligen Polizeischule vor unbefugtem Zutritt und dem Entwenden von Gegenständen zu sichern, als reine Formalie bzw. vorsorglich erfolgte, bleibt unklar.481 Zumindest lässt sich ein gewissermaßen aktueller Anlass nicht ausschließen, und die Hellerauer Bevölkerung hatte ja bereits Erfahrung beim ›Entrümpeln‹ der Polizeiwaffenschule in den Tagen 477 Vgl. die Fotodokumentation der Fassaden, LfD 11771 sowie LfD 15813. 478 Vgl. SächsStA 10868/116 sowie SächsStA 11394/2593, Schreiben vom 17.1.1949. Auch Fahrschulübungen wurden durch die SMA durchgeführt, vgl. SächsStA 13855/016, Protokoll vom 22.7.1979. 479 Vgl. StA Dresden 8.13/120/01b, Beschwerde der Gärtnerei Konrad Hechmann vom 20.7.1947. 480 In diesem Sinne wurden beispielsweise auch Wohnräume des einstigen Direktors der Deutschen Werkstätten Hellerau Karl Schmidt für die Aufnahme von Untermietern ›in Anspruch genommen‹, Vgl. StA Dresden 9.1.36/10, Bl.1–14, sowie SächsStA 11764/887, Schreiben der Gemeinde vom 7.5.1947. Ab 1947 konnten Fragen der Abrechnung strukturierter geklärt werden, vgl. StA Dresden 4.1.10/115, Bl. 26, SMA Befehl Nr. 245. 481 Vgl. StA Dresden 8.13/120/01b, Erlass der Gemeinde vom 27.5.1947.
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