Leseprobe

131 erschien zudem die Einbeziehung der Hochschule für Musik in die Umzugspläne.488 Die Gemeindeverwaltung unterstützte und befürwortete das Vorhaben ausdrücklich – schließlich bot sich damit eine Perspektive, an alte Traditionen als Kulturzentrum anzuknüpfen. Als unterster Verwaltungseinheit in der DDR waren ihr freilich die Möglichkeiten der Forcierung des Projekts versagt. Tatsächlich wäre eine Umsetzung des Vorstoßes von nachhaltiger Wirkung nicht nur für die kulturelle Bedeutung des Ortes gewesen, sondern hätte das funktionsräumliche Gefüge und die Siedlungsstruktur im Dresdner Norden beträchtlich verändert.489 Die Idee zu einer Verlagerung der Kunstakademie war bereits unter Will Grohmann thematisiert worden und wurde vom zuständigen Bildungsreferat der Landesverwaltung unterstützt. Früh verwies man jedoch auf »weitere ernst zu nehmende Bewerber für diese Schule« auch von anderer Seite und eine erforderliche Reservierung für die Belange der Kunstgewerbeschule. Eine schnelle Übergabe des Objektes an die Kunstakademie war offenbar von der Landespolizei bereits in Aussicht gestellt.490 Im Falle einer dauerhaften Abwesenheit der Roten Armee wäre die Gartenstadt wenigstens auf Zeit eine Nutznießerin der Folgen der Luftangriffe vom Februar 1945 auf Dresden gewesen: In Ermangelung geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten waren zahlreiche, nicht nur etablierte Institutionen auf Ersatzräumlichkeiten angewiesen und auf der Suche nach einer Unterkunft, um ihre Arbeit wieder aufnehmen zu können. Wie im Falle der einstigen Polizeischule fiel der Fokus auf die wenigen unzerstörten und ausreichend dimensionierten Räume im Umland der Stadt. Zwischen 1945 und der Mitte der 1950er Jahre bestand außerdem die Hoffnung auf eine Rückkehr der Menzler-Marsmann-Schule auf das Gelände des Festspielhauses, weg aus den viel zu kleinen Unterrichtsräumen auf dem Tännichtweg. Unterstützt wurde dies durch ein erweitertes Aufgabenspektrum und eine nach kurzer Zeit wieder abgebrochene Integration in die Lehrerinnenbildung für Musik- und Bewegungspädagogik.491 (Abb. 39, 40) Begehrlichkeiten wurden geweckt, als die sowjetische Garnison für eine kurze Zeit 1947 die Gartenstadt verlassen hatte; viele Nutzungsideen waren an ihre Abwesenheit sowie an die Freigabe des Hellers für eine zivile Nutzung geknüpft. Die Pläne reichten von der Erweiterung der Deutschen Werkstätten und einer dazugehörigen neuen Werkssiedlung, die weit über den Moritzburger Weg auf das Areal des Truppenübungsplatzes ausgegriffen hätte und für die sich der einstige Direktor der Deutschen Werkstätten und Gartenstadt-Mitbegründer Karl Schmidt kurz vor seinem Lebensende noch einsetzte, bis hin zu Rieselfeldern für die Nutzung lokaler Abwässer. Dabei sollte durch deren Umleitung und die Nutzung der Siedlungsabwässer aus den nördlichen Vororten und Vorstädten Dresdens eine Verbesserung des kargen und lediglich mit niedrigem Wald bedeckten Bodens der Heide erzielt sowie die Einrichtung ausgedehnter Grünlandflächen ermöglicht werden.492 Gerüchte über das bevorstehende Verlassen des Festspielhausgeländes durch die Rote Armee verhießen neue Möglichkeiten für die Entwicklung: Zunächst war 1947 eine Freigabe vom Landratsamt in Aussicht gestellt worden und das erneut leerstehende Gelände wurde durch die Gemeinde für die sowjetischen Streitkräfte bewacht und vorgehalten. Dass dies widerrufen werden könnte, kam zu diesem Zeitpunkt noch niemandem in den Sinn. Anrainer, die Kommunen Klotzsche, Hellerau und der Landkreis Dresden hatten sich einen Überblick über die Eigentumsverhältnisse zu verschaffen versucht, die im Falle einer plötzlichen Freigabe geklärt sein mussten, um schnell handeln zu können. Noch 1948 wurde als Eigentümer des Geländes das Deutsche Reich festgestellt und die Gemeinde Hellerau hatte ernsthafte Interessen an einer Nutzung. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde jedoch die weitgehende Bewirtschaftung der Flächen durch die stationierte Rote Armee vermisst und vermerkt, dass das Areal in weiten Teilen zur Deponierung von Abfällen genutzt würde. Von Interesse waren, neben den Gebäuden, vor allem die Grundstücke mit ausgedehnten Grünflächen, die sich die Gemeinde Hellerau vorstellte für einen Gärtnereibetrieb zu nutzen und zu pachten. Für den Fall einer künftigen Überlassung rechnete sie darüber hinaus mit der Nutzung der einstigen Liegenschaft der Mathilde-Zimmer-Stiftung für ein Kulturhaus, welches in der Gemeinde dringend benötigt wurde. Hierfür reaktivierte man gern den Topos des Festspiel488 HfbKA 01/218, Schreiben der Landesregierung an Mart Stam, vom 7.2.1949. Vgl. Auch HfbKA 02/40, Schreiben an die Landesverwaltung Sachsen vom 30.9.1946. 489 Vgl. StA Dresden 8.13/573/00, Schreiben des Bürgermeisters vom 15.2.1950. 490 Vgl. HfBKA 02/40, Schreiben an die Landesregierung vom 14.5.47; HfBKA 02/41, Sitzungsprotokolle vom 6.1. und 10. 1. 1946. 491 Vgl. SächsStA 11401/1046; SächsStA 11401/2149. 492 Vgl. SächsStA 11764/1602; StA Dresden 9.1.36/8, Bl.18, SächsStA 11394/2593. Vgl. auch Plan des Hellergeländes, StA Dresden 4.1.9/457, Bl.168; StA Dresden 4.1.10/115, Bl. 11 f., 19–25, 39– 49, 221– 223; StA Dresden 9.1.36/10, Bl.158.

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