144 I Das Rétablissement – Neue Wirtschaftspolitik im Dienste Sachsens Der desaströse Siebenjährige Krieg (1756–1763) hatte zum Ende der kulturellen und ökonomischen Dominanz des sächsischen Kurfürstentums im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation geführt. Dennoch gelang es dem klugen, auf bürgerliche Reformkräfte gestützten Handeln der Regierung schnell, an die frühere Leistungsfähigkeit anzuknüpfen. Der als »Rétablissement« bezeichnete Prozess ließ in Sachsen eine vielfältige Wirtschaftslandschaft entstehen, in der zum Ende des Jahrhunderts hin die Grundlagen für den Übergang zum Industriekapitalismus gelegt wurden. Das mittelalterliche Instrument der Handwerker-Zünfte erlebte – noch einmal reformiert und an die neuen Erfordernisse des Marktes angepasst – eine Renaissance. Vor allem aber gewann privates Unternehmertum an Bedeutung: Neue Rohstoffe, internationales Know-how und Finanzkapital flossen in die Wirtschaft im Chemnitzer Raum ein. Dezentralisierte und zentralisierte Manufakturen mit neuen Produktionsmitteln und -methoden sowie die Konzentration von Arbeitskräften und Kapital, vor allem in den textilen Gewerken der Region, bildeten wichtige Meilensteine auf dem Weg hin zur Gründung erster Fabriken. I.1 N. N. Ansicht der Stadt Chemnitz, sogenanntes Weberinnungsbild Chemnitz, um 1780 Öl auf Holz, B 104 cm × H 182 cm Kunstsammlungen Chemnitz – Schloßbergmuseum, Inv.-Nr. cm003726 Das Bild aus dem Innungshaus der Chemnitzer Zeug- und Leineweber betont in Sujet und Schriftprogramm die drei aus Sicht des Handwerkers wichtigsten Bezugsgrößen seiner Existenz: Zunft, Obrigkeit (Stadt und Landesherr) und Gott. Das Werk, das auf grafische Vorlagen des 17. und 18. Jahrhunderts zurückgeht, ist das älteste bekannte, die Stadt Chemnitz darstellende Gemälde. Die Ansicht zeigt die Stadt von Süden aus; rechts hinten ist sehr frei das frühere Kloster, spätere Schloss festgehalten. Ausgesprochen beeindruckend ist die im Textprogramm des Bildes ausgewiesene Personenzahl der im Handwerk der Chemnitzer Zeug- und Leineweber Arbeitenden. Man muss jedoch beachten, dass es sich dabei keineswegs mehr um selbstständig arbeitende Handwerksmeister handelt; zur Zeit der Bildentstehung arbeitete bereits knapp die Hälfte als verlegte bzw. sich in Lohnabhängigkeit befindende Weber. UF S. 65 Literatur: Fiedler, Uwe: Museumsführer Kunstsammlungen Chemnitz – Schloßbergmuseum. Bielefeld/Leipzig/Berlin 2011. I.1 (Detail)
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