Leseprobe

166 Hinter der Versorgung ganzer lokaler und regionaler Gewerbegruppen mit Rohstoffen und Halbfabrikaten stand ein gewaltiger logistischer Aufwand, der vor dem Hintergrund sich wandelnder Produktionsprozesse im Zuge der Industrialisierung noch erheblich weiter verstärkt werden musste. Mit zunehmender Globalisierung des Handels wurden erhebliche Warenquantitäten über Hunderte, ja Tausende Meilen über die Land- und Wasserwege ganzer Kontinente – Asien, Afrika, Amerika, Europa – transportiert, bevor sie schließlich die Produzenten wie umgekehrt auch die Konsumenten erreichten. Bezogen allein auf den Rohstoffbedarf der Chemnitzer textilen Gewerbe geht die Forschung von wenigstens 2 000 Tonnen Rohbaumwolle aus, die in der Region jährlich verarbeitet wurden. Umgelegt auf die Ladekapazität eines durchschnittlichen Frachtwagens bedeutete dies etwa 1 000 Fuhren, vorrangig mit Baumwolle, die in Chemnitz ankamen. Zwischen den Anbaugebieten – etwa Nordgriechenland oder Vorderasien – und Sachsen erfolgte der Transport in der Regel über den Landweg. Die sechs- oder sieben-, gelegentlich auch nur vierspännigen Fuhrwerke nutzten lange bestehende Handels- und Heerstraßen, passierten Städte und Marktflecken, mussten aber auch mit natürlichen Hindernissen wie Gebirgen oder Flüssen zurechtkommen. Dafür gab es gut entwickelte Infrastrukturen: An steilen Gebirgsabschnitten unterstützten Zuspannpferde nebst Personal die Transporte, an Flussrouten boten Treidler ihre Dienste an. Die Erscheinungen des Warenverkehrs waren Teil des Alltags, zugleich jedoch auch immer etwas Besonderes: Trafen die Ferntransporte an den Unterwegsstationen und den Zielorten ein, brachten sie Nachrichten »aus der Welt« mit sowie gelegentlich auch einen Hauch von Exotik, denn sie wurden von Personen häufig in den Landestrachten aus anderen Regionen begleitet. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn sich auch Künstler dieser Sujets annahmen: Johann Adam Klein etwa – der herausragende Nürnberger Maler der Romantik – hat sich in seinem gewaltigen künstlerischen Œuvre, das Landschaftsmalerei und Genrebilder, Tierstudien, Porträts und Militärdarstellungen umfasst, auch Transportdarstellungen zu Wasser und zu Lande im Umfeld seiner Heimatstadt Nürnberg, aber auch auf seinen Reisen entlang der Donau oder bei seinen Aufenthalten in Wien gewidmet: Hier gerieten auch die Menschen in seinen Fokus, die für die wirtschaftliche Entwicklung im Chemnitzer Raum so wichtig waren – die Händler aus dem Osmanischen Reich, die hier unter dem Namen »Mazedonier« bekannt werden sollten. UF; PE Literatur: Museen der Stadt Nürnberg, Grafische Sammlung; Tschoeke, Jutta (Hrsg.): Romantische Entdeckungen. Johann Adam Klein. 1792–1875. Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik. Nürnberg o. J. (2006). VI.2

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1