32 gigkeit ermöglichten und aufrechterhielten. Dies beinhaltet die Untersuchung von Rohstoffen, Produktionsmethoden und Handelsnetzwerken, die es den kolonialen Mächten ermöglichten, ihre wirtschaftliche und politische Dominanz auszubauen. Darüber hinaus kann dieser Ansatz auch dazu beitragen, die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Ausbeutern und den abhängigen Menschen zu analysieren, indem er die Rolle von materiellen Ressourcen und Technologien bei der Schaffung und Aufrechterhaltung dieser Beziehungen beleuchtet. Mit dieser Entwicklung geht eine Relativierung des traditionellen wissenschaftlichen Fokus auf Schriftkultur einher. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Erforschung von Abhängigkeitsverhältnissen, da die Mehrheit der Menschen, die sich in extremen Abhängigkeitssituationen befanden, keine schriftlichen Dokumente hinterlassen hat. Wenn wir Abhängigkeit nicht ausschließlich aus einer »von oben«- Perspektive betrachten wollen, sondern den Alltag und die Erfahrungen der direkt betroffenen Abhängigen einbeziehen möchten (Abb. 2), ist es dringend erforderlich, uns von der Privilegierung der Schriftquellen zu lösen. Dies erfordert jedoch, dass wir lernen, materielle Kultur zu lesen. Die Disziplinen der objektbasierten Wissenschaften wie Archäologie, Kunstgeschichte und Kulturanthropologie können dabei helfen, die Bedeutung von Materialität zu erkennen und materielle Hinterlassenschaften als Quellen für die Erforschung von Abhängigkeit zu nutzen. Materielle Zeugnisse haben das Potenzial, den oft verborgenen »stummen« Akteuren der Geschichte ihre Stimme zurückzugeben und uns Einblicke in die Erfahrungen von Unterdrückung sowie die Handlungsspielräume innerhalb menschlicher Gemeinschaften zu gewähren.2 Die geisteswissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit materieller Kultur befassen, haben deshalb in den vergangenen Jahrzehnten immer intensiver die Brücke zu den Naturwissenschaften mit ihrem breiten Methodenspektrum gesucht, um die Materialität und Herstellung von Dingen, aber auch die Gewinnung und Kontrolle von Ressourcen und ihre Handelswege zu erforschen. Das »Lesen« von Objekten setzt schließlich auch voraus, dass wir uns mit ihrer Lebensgeschichte befassen müssen. Dem von Arjun Appadurai geprägten Konzept der Objektbiografien3 liegt die Idee zugrunde, dass Objekte eine Geschichte 1 Luftbildaufnahme aus dem Jahr 2021. Blick auf die Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf (»Klingelpütz«). Gefängnisse und Strafanstalten sind physische Manifestationen von Kontrolle und Disziplin. Ihre Architektur und Gestaltung zielen darauf ab, Insassen zu überwachen, zu isolieren und zu kontrollieren, was die Machtverhältnisse zwischen den Insassen und denjenigen, die sie beaufsichtigen, deutlich macht.
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