Leseprobe

Surrogate Strategien, dem Ennui des Lebens zu entkommen, gibt es viele. Neben Eros und Rausch sind es verschiedene Formen von Ersatz, mit denen man sich gerne behilft. Mit dem von Baudelaire für die Wirkung von Drogen geprägten Begriff der »künstlichen Paradiese« ließe sich auch die seit der Industrialisierung immer wilder wuchernde und nie versiegende Welt des Dekors beschreiben. Hier triumphieren Surrogate aus Plastik und Kunststoff – man denke nur an den riesigen Markt für Weihnachtsdekorationen, an weltweit agierende Imperien für Geschenkartikel oder nutzlose Einrichtungsgegenstände. Gerd Rohlings Gläser und Schalen (Wasser und Wein) erinnern zunächst an altrömisches Glas, bis man bemerkt, dass es sich um Kunststoffrelikte handelt, die der Künstler als Strandgut fand. Ihre betörende Schönheit verdankt sich einem natürlichen Alterungsprozess und täuscht zugleich darüber hinweg, dass es sich letztendlich um giftige Stoffe handelt, die die Meere verseuchen. Les Fleurs du Mal von Moritz Wehrmann entstanden hingegen auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. Mit einer speziellen Blitztechnik bei Tageslicht fotografiert, erscheinen die künstlichen Blumengestecke in kränklich-fahlem Licht. Ihre verrottenden Zweige recken sich gespensthaft in die Höhe – vor einem geheimnisvoll düsteren Hintergrund, der an die Blumenaquarelle von Barbara Regina Dietzsch erinnert. | KyZ

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