Leseprobe

Die unbebilderte Erstausgabe der Fleurs du Mal, 1857 in Paris erschienen, wurde wegen »Beleidigung der öffentlichen Moral« verboten. Baudelaire ließ 1861 eine zweite, bereinigte und zugleich erweiterte Ausgabe folgen, für die er diesmal auch eine Illustration als Frontispiz plante. Félix Bracquemond schuf nach seinen Vorgaben verschiedene Varianten, die Baudelaire allerdings ablehnte, weil er sie lächerlich fand. Schließlich gelang es Félicien Rops, mit dem Baudelaire sich angefreundet hatte, für die belgische Ausgabe der in Frankreich inkriminierten Gedichte unter dem Titel Les Épaves (Strandgut) eine Grafik zu schaffen, die den Vorstellungen des Dichters entsprach. Im Zentrum erscheint der zum Skelett mutierte Baum der Erkenntnis, umgeben von Pflanzen, die die sieben Todsünden symbolisieren: Schlangenwurz steht für den Neid (invidia), der verrottende Baumstamm für Faulheit ( pigritia), das Knabenkraut für die Wollust ( libido), die Sonnenblume für Stolz (superbia), die kaktusartige Stachelpflanze für Zorn ( ira), die gierig raffenden Wurzelhände für Geiz (avaritia) und die Melone für Völlerei (gula). Darüber hält eine dunkle Chimäre das Medaillon Baudelaires in die Höhe, während unten ein Pegasus-Skelett kauert, an dem ein Schild lehnt, der die Sünden in ihr Gegenteil verkehrt: Der Strauß mit einem Hufeisen im Schnabel steht alten Emblem-Büchern zufolge für die Tugend, worauf auch die Inschrift verweist: virtus durissima coquit (Die Tugend erweicht auch das Härteste). Odilon Redon hat Baudelaire nicht mehr persönlich kennengelernt. Gleichwohl sollten die Gedichte und Schriften des Dichters für Redons gesamtes Schaffen von fundamentaler Bedeutung sein, wie sich auch anhand einzelner Motive, etwa dem des abgeschnittenen Kopfes (siehe hierzu das Gedicht Eine Märtyrin), belegen lässt. 1890 entstanden neun Radierungen zu einzelnen Textstellen aus den Fleurs du Mal. | KyZ LesFleurs du Mal

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