Zukunft?! Der Beitrag der Denkmalpflege zur Bauwende Zukunft?!
Zukunft?! Der Beitrag der Denkmalpflege zur Bauwende Konferenzband zur Fachtagung des Amtes für Kultur und Denkmalschutz der Landeshauptstadt Dresden 27. bis 29. Mai 2024 Sandstein Verlag
Inhalt
5 Annekatrin Klepsch 9 Begrüßung zur 6. Dresdner Denkmalfachtagung Alf Furkert 11 Grußwort Bernhard Sterra 14 Zukunft?! Der Beitrag der Denkmalpflege zur Bauwende Alexander Poetzsch 20 Denkmalpflege als Motor der Bauwende Udo Bode 24 Von der Baupolizei zu staatlichen Bauaufgaben – Gebäudebestand und dessen Transformation Kirsten Angermann 36 Denkmalschutz als Ausnahme von Nachhaltigkeit? Carolin Schmidt 46 Graue Energie – Ressource der Zukunft Julian Snethlage 54 Weiterverwenden – Potenziale, Grenzen, Ursachen und Auswirkungen Christoph Wendland 64 Mit lokalen Ressourcen auf dem Weg zum kreislauffähigen Bauen Die Bauwende in Sachsen am Beispiel des Naturbau-Campus in Oschatz Christian Rößler 72 Wohnen in der Scheune, Arbeiten in der Feuerwache, Urlaub in der Fabrik Ländliche Entwicklung, Bauwende und Denkmalpflege
6 Fabian Kröning, Sven Kuhrau, Philipp F. Huntscha 78 Ein Dorf als Ressource – Denkmalpflege im Strukturwandel Maxi-Charlott Bassow 88 Die alte Lohgerberei Geringswalde Erhalt des Befundreichtums und wirtschaftliche Nutzung Jan Weber 98 Grüne Kulturgüter in Gefahr Klimawandelangepasste Arbeitsweisen im Gartendenkmal Olaf Gisbertz 108 Perspektivwechsel: Denk mal: Landschaft und Naturschutz Plädoyer für eine »Grüne Infrastruktur« Peter Writschan 120 Ein Schalenbau wirft sich in Schale Die energetische und denkmalgerechte Sanierung des Messepavillons in Rostock-Schutow Stefan Resch 126 Das Eiswerk in München Valentin Petri, Markus Huschenbeth 132 Der Industriekomplex Herrenstraße Ein Wandel zum denkmalgeschützten Wohnquartier Tanja Kilzer 138 Nachhaltigkeit und Erhalt keine Frage bei Prestigeprojekten?! Die Debatte zum Neubau und Abriss der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Gerold Kempter 152 Die Bedeutung verformungsgetreuer 3D-Modellierung für den Erhalt historischer Bauten
7 Michael Brückner 158 Mundgeblasene und handgegossene Flachgläser Ein traditionelles Handwerk mit Blick in die Zukunft Heiko Schanze, Lothar Herlitze, Katja Wilmsen-Flüchter 168 Historisches Fensterglas als erhaltenswerte Bausubstanz? Ein Beitrag zur Bauwende Konstantin Hermann 174 Am Anfang steht das Kulturdenkmal Denkmalinventarisation als Grundlage in der Forschung und ihre Anwendung in der Bauwende Antje Kirsch, Sylvia Lemke 180 Bestandsübergreifende Schlüssel Initiative Erfassungssystematik »Baubezogene Kunstwerke« Steffi Eckardt, Nora Ruland, Johannes Warda 188 Gemeinsam für die Bauwende Von »Akteuren« zu kooperativen Netzwerken Mark Escherich 198 Partizipation in Denkmalpflege und Denkmalinventarisierung Explizites und Implizites Anhang 210 Dresden schaut nach vorn – Dresdner Erklärung zur Pflege des Bestands 216 Autorenverzeichnis 223 Impressum
14 Seit Längerem zeichnet sich im Bauwesen ein Paradigmenwechsel ab, der sich unter dem Begriff einer vielfach propagierten und eingeforderten »Bauwende« Ausdruck verschafft.1 Die Verwendung des Begriffs unterliegt keiner abschließenden Systematik, zu vielfältig sind die Akteure und ihre Ansätze. Dabei stehen Aspekte des Klimaschutzes, der Ressourcenschonung, des Bestandserhalts oder des verantwortungsvollen Umgangs mit der Überlieferung im Fokus. Dass hier genuin die Kernkompetenzen der Denkmalpflege angesprochen zu sein scheinen, liegt nahe. Die Herausforderungen, die Energieeinsparung, Klimaschutz und Bewahren des Bestands mit sich bringen, bestimmen in der denkmalpflegerischen Arbeit seit vielen Jahren den Alltag. Ja, es gehört quasi zum gesetzlich verbrieften Auftrag, hier im Dienst »kultureller Nachhaltigkeit« die angemessenen Lösungen zu erzielen.2 Die Frage ist also legitim, wie sich die Denkmalpflege selbst zu der angesprochenen Bauwende stellt, wie sie hier zu verorten ist und wie sie sich aktiv einbringen kann. 2025 jährt sich zum 50. Mal das Europäische Denkmalschutzjahr, das unter dem programmatischen Titel »Eine Zukunft für unsere Vergangenheit« als eine Art Landmarke in die jüngere Geschichte der Denkmalpflege eingegangen ist.3 Ein Ereignis, das als Schwelle oder Wendezeichen lesbar ist und entsprechend ein »Davor« und ein »Danach« besitzt.4 Stehen wir mit der Bauwende eventuell an einer ähnlichen Schwelle, die auch Auswirkungen auf die baukulturelle Positionsbestimmung der Denkmalpflege und damit für ihren gesellschaftlichen Stellenwert haben könnte? Ohne den Anspruch erheben zu wollen, diese Fragen gegenwärtig auch nur ansatzweise abschließend beantworten zu können, wollen wir dennoch mit der Wahl des Themas für die sechste Dresdner Denkmalfachtagung eine Annäherung versuchen. Um den Blick zu schärfen, wo wir heute in der Denkmalpflege stehen, wie wir »aufgestellt« sind, lohnt sich ein kurzer und summarischer Blick in die Vergangenheit. Dieser sei den Beiträgen dieser Publikation zunächst vorangestellt. Bereits 1969 waren für das Denkmalschutzjahr die Weichen durch den Europarat gestellt worden, »geleitet von der Einsicht, dass sich Europa nach den Verheerungen Zukunft?! Der Beitrag der Denkmalpflege zur Bauwende Bernhard Sterra
15 des Zweiten Weltkriegs und angesichts neuer Gefahren für das bauliche Erbe durch einseitig ökonomisch ausgerichtete Orientierung keine weiteren Verluste an Kulturdenkmälern mehr leisten dürfte«.5 Man strebte ein internationales Format an, um sich der gemeinsamen Verantwortung für das baukulturelle Erbe zu versichern. Ein Ansatz, der mit dem »Europäischen Kulturerbejahr« 2018, allerdings weit über die Denkmalpflege und ihre Akteure hinausgehend, aufgegriffen wurde.6 Eine Wanderausstellung des bundesdeutschen Beitrags stellte in einer weitgehend suggestiven Bildrhetorik der Betroffenheit und Anklage die herrschenden Defizite und Missstände dar. Worte der Trauer über das Verschwinden der vertrauten, traditionellen Stadt und dessen, was sie als zivilisatorische Errungenschaft auszeichnete, hatten schon Wolf Jobst Siedler und Elisabeth Niggemeyer in ihrem mittlerweile geradezu als Signet fungierenden Buchtitel »Die gemordete Stadt – Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum« 1964 gefunden und sie in ähnlicher Weise bildlich und textlich inszeniert.7 Die vielfältigen Verluste an historischer Bausubstanz und Urbanität und die weiterhin drohenden Gefahren für deren Fortbestand angesichts einer oftmals als rigide und doktrinär erlebten Baupolitik und -wirtschaft führten zu Gegenwehr und zu vielfältigen Engagements unterschiedlichster Akteure. Sie verknüpften sich mit wachsender Kritik an den vorherrschenden Paradigmen und Auswirkungen der Stadtplanung und ihrer politischen Grundlagen, die auch von solch prominenten Persönlichkeiten wie Theodor W. Adorno oder Alexander Mitscherlich8 vorgetragen wurde. Mitscherlich schreibt in seiner Kritik am herrschenden 1 Blick über Dresden, vom Postplatz Richtung Norden
16 Zukunft?! Der Beitrag der Denkmalpflege zur Bauwende Funktionalismus: »Der Blick auf die wachsenden Gebilde, die einstmals Städte waren, zeigt uns, dass sie einem Menschen gleichen, der verzerrt wird durch krebsige Tochtergeschwüre. Vielleicht gibt es keinen Todestrieb; aber Umstände, die tödlich wirken. Davon ist hier die Rede, obgleich wir – wie alle, die je auf dem Pulverfass saßen – so tun, als wäre alles unstörbar in bester Ordnung.«9 Sehr weitgehende Planungen der Nachkriegszeit in der BRD und in der DDR gingen zwar von unterschiedlichen systemischen Voraussetzungen aus, sie folgten aber ähnlichen städtebaulichen Leitbildern und zeigten ähnliche Resultate: umfangreiche Abbrüche historischer Bausubstanz, sogenannte Flächensanierungen, eine zunehmende Dominanz industrialisierten Bauens. Diese Planungen erfüllten nicht nur Aufbaukonzepte oder Wohnungsbauprogramme, sondern sie gingen oftmals eben auch mit Verlusterfahrungen vielfältiger Art einher – an Gebäuden, Vierteln, Stadtteilen, damit an Vertrautheit, Geschichte, Identifikationspotenzial. Zum 40. Jahrestag des Europäischen Denkmalschutzjahrs wurde 2015 durch eine Vielzahl von Fachleuten in einer Zusammenschau präsentiert, welche diffizilen Prozesse gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Natur zu diesem konzertierten Ereignis geführt hatten und was dies in der Folgezeit für Planungs- und Baukultur, für Denkmalschutz und Denkmalpflege und natürlich auch für die Zivilgesellschaft bedeutete. In vielfältiger Weise wurden Zeichen gesetzt und Wege eröffnet. »Für die Hinwendung zur malerischen Altstadt, zu den wiederentdeckten Gründerzeit- und Jugendstilquartieren brachte das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 den Durchbruch.«10 2 Bernhard Sterra während seines Vortrags zu Beginn der Tagung
17 Auch der internationale fachliche Austausch nahm zu. So nahm die DDR seinerzeit zwar nicht als Partnerstaat am Europäischen Denkmalschutzjahr teil, doch erfuhren die Verbindungen zu internationalen Fachgremien in Ost und West seit den 1970er Jahren eine deutliche Belebung.11 Auch dass die bisherigen Regelungen zu Denkmalschutz und Denkmalpflege in den meisten Bundesländern und in der DDR durch neue Gesetze ersetzt wurden, hat durch die Initiativen der 1970er Jahre entscheidende Impulse erhalten.12 Denkmalschutz und Denkmalpflege kamen zunehmend in der Gesellschaft an und erfuhren dort ihre teilweise auch institutionelle Verankerung: ob in Form des Ulmer Vereins, des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege, der AG Kommunale Denkmalpflege des Deutschen Städtetags, in zahlreichen Bürgerinitiativen, in der universitären oder handwerklichen Ausbildung, in der unermüdlichen Arbeit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz oder des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, das bis heute auf vielfältige interdisziplinäre Weise Denkmaldebatten befördert, Leitfäden herausgibt und in den politischen Raum hineinwirkt. Nicht zuletzt hat in den Ländern und Kommunen durch diese Entwicklung die konkrete Arbeit an und mit den denkmalgeschützten Objekten, den Flächendenkmalen, den archäologischen Zeugnissen etc. in beeindruckender Weise an Professionalität, fachlicher, handwerklicher, historischer und rechtlicher Tiefe sowie an Dynamik gewonnen. Erfahrungsschatz und Kompetenzen sind mithin groß und immer im Wandel, werden erweitert, gepflegt und tradiert.13 Dies betrifft auch die durch europäische und nationale Gesetzesinitiativen und ihre an deutlich formulierten Klimaschutzzielen orientierten Maßnahmen der Energieeinsparung. Wenn sich die Denkmalpflege in die gegenwärtigen Debatten um Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Klimawandel, Energiewende, Ressourcenschonung etc. und ihre Folgen für das baukulturelle Erbe, für den Gebäudebestand und das Bauen insgesamt zunehmend einbringt, kann sie mittlerweile ebenso aus einem großen Fundus schöpfen und gibt entsprechend ihr Wissen in Handreichungen, Leitfäden u.ä. auf Bundes-, Länder- und auch auf kommunaler Ebene weiter.14 Denkmalschutz ist aber nicht gleich Klimaschutz, wenn er auch mit dessen Zielen sehr stark korrespondiert und hier aktiv mitwirkt. Der Begriff der Bauwende, der sich zumindest in Fachkreisen zunehmend zu etablieren scheint, ist ohnehin wohl weiter zu verstehen: als eine Art kritischer Selbstreflexion und Hinterfragung kultureller, gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Gewohnheiten und Standards, die das Bauwesen betreffen.15 Eine integrierte Baukultur denkt Fragen der Nachhaltigkeit selbstverständlich mit Ansätzen der klassischen Denkmalpflege und ihrer Fokussierung auf die Bewahrung kultureller Werte mit. Sind solche Ansätze als Herausforderungen zu betrachten, die sicher noch viele – auch politische – Herausforderungen in sich bergen mögen, so stellen die vielfältigen Kompetenzen wie auch das Prozesswissen, das die Denkmalpflege in den vergangenen Jahrzehnten erworben hat, einen Schatz dar, der durchaus auch auf andere Bereiche wie die »sonstige erhaltenswerte Bausubstanz« als auch den riesigen Bestand an Bauten, die keinerlei Schutz und Aufmerksamkeit genießen, übertragen werden kann.16 Wissens- und Erfahrungstransfer, Agieren auf Augenhöhe, Interdisziplinarität sind hier Schlüsselbegriffe.
36 Denkmalschutz als Ausnahme von Nachhaltigkeit? Kirsten Angermann Vor dem Hintergrund aktueller Debatten um notwendige Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und seiner Folgen und der daran geknüpften »Bauwende« scheint sich ein Konsens in Denkmalschutz und Denkmalpflege zu etablieren, der dem Denkmalschutz dabei eine Vorreiterrolle zuschreibt. Denkmalschutz sei »aktiver Klimaschutz« und damit die »Avantgarde der Reparaturkultur«.1 Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) sieht den Denkmalschutz gar als »Synonym für Nachhaltigkeit«.2 Begriffe wie »ressourcenschonend« und »reparierbar« tauchen ebenso häufig in der Diskussion auf – oftmals gepaart mit den Attributen »schon immer« oder »per se«. Demgegenüber existieren jedoch auch Stimmen, die Denkmalschutz und Denkmalpflege als Verhinderer von Maßnahmen für Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien sehen. Schon aufgrund der Absolutheit dieser – für die Denkmalpflege positiven wie negativen – Aussagen lohnt es sich, sie einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Zunächst soll in diesem Beitrag jedoch ein Blick zurück auf die Befassung der Denkmalpflege mit dem Thema der Nachhaltigkeit geworfen werden. Im Weiteren wird dann die These diskutiert, dass Denkmalpflege eben nicht per se nachhaltig ist und überdies eine Ausnahme von Nachhaltigkeit darstellen müsste, um in der Zukunft Denkmale angemessen erhalten zu können. Denkmalpflege und Nachhaltigkeit – Blick zurück Der Beginn der Beschäftigung mit dem Begriff und dem Prinzip der »Nachhaltigkeit«3 und seiner Beziehung zur Denkmalpflege lässt sich im deutschsprachigen Raum auf die Mitte der 1990er Jahre datieren.4 1995 wurde etwa der Umgang mit dem industriellen Erbe vor dem Hintergrund der Ressourcenproblematik diskutiert. Auf der Tagung zum »Denkmal als Altlast« fragte sich Wilfried Lipp, wie aus der Wegwerfgesellschaft eine »Reparaturgesellschaft« werde, und es wurde diskutiert, wie Werterhaltung in der Denkmalpflege und im Gesamtgebäudebestand zu leisten sei.5 1999 fand mit einem interdisziplinären Weiterbildungskolloquium zu »Nachhaltigkeit und Denkmalpflege« am Institut für Denkmalpflege der ETH Zürich eine Veranstaltung explizit zum Thema statt, die 2003 publiziert wurde.6 Damals ging es darum, die Denkmalpflege überhaupt in die spätestens seit der Rio-Konferenz 1992 virulente Debatte um Nachhaltigkeit einzuführen und dabei als Partnerin von Architektur und Planung zu positionieren. Die Argumente hierfür unterschieden sich kaum
37 von den heutigen. Es ging darum, dass die Denkmalpflege Handlungswissen aus ihrer langjährigen Beschäftigung mit dem Denkmalerhalt bereitstellen und Methoden für den in den 1990er Jahren bereits antizipierten Wandel im Bauwesen zu Umbau und Umnutzung anbieten könne.7 Das wurde explizit als Chance für Denkmale gesehen und gehofft, Denkmale würden somit zukünftig »im Trend« liegen und Vorbildwirkung entfalten.8 Weiter zurück liegt die Befassung mit dem Zusammenklang von Denkmal- und Naturschutz, der sich bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt und später mit den Ideen des Umweltschutzes und Umweltbewusstseins, die seit den 1960er Jahren schrittweise in die Denkmalpflege diffundieren, bereichert wird.9 Aus dem als Stadtzerstörung empfundenen Unbehagen mit dem »Bauwirtschaftsfunktionalismus« (Mitscherlich) der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik heraus brachte es Heinrich Klotz 1975 ebenso wie die heutigen Postulate sehr pointiert zum Ausdruck: »Denkmalschutz ist Umweltschutz.«10 Denkmale wurden in der Diskussion der frühen 2000er Jahre vorwiegend als Ressourcen – im materiellen wie ideellen Sinn – betrachtet, die es nachhaltig zu bewirtschaften galt. Sie konnten eine Rolle in den Nachhaltigkeitsdimensionen einnehmen und als wirtschaftlicher Motor, für kulturelle Sinnstiftung und die Befriedigung sozialer Bedürfnisse sowie als ökologisches Vorbild herangezogen werden. Somit standen stärker das Denkmal an sich sowie die praktischen Methoden der Erhaltung im Fokus als die prozessualen Aushandlungen um denkmalpflegerisches Handeln. Hierin liegt ein Unterschied zur heutigen Debatte, in der eher die Ressourcen betrachtet werden, mit denen Denkmale erhalten werden (müssen) – Geld, Material, Energie –, also häufig Fragen nach der Effizienz des Denkmals und der Denkmalpflege. Die »Ressource Denkmal« tritt derweil in den Hintergrund.11 Die Diskussionen in der Denkmalpflege und das Angebot an das Bauwesen, als Partner zu agieren, haben nicht sofort Anklang gefunden. Unterdessen wurden Aspekte der Energieeinsparung am Baudenkmal als Teilproblematik nachhaltigen Handelns stärker fokussiert – dies eher, um die scheinbar gegensätzlichen Belange zu versöhnen und nicht, wie Ende der 1990er Jahre diskutiert, Synergien zu finden und starke Partnerschaften zu bilden –, worauf innerhalb der Denkmalpflege sowohl affirmativ als auch verteidigend reagiert wurde.12 Nicht zuletzt wegen der von der Europäischen Kommission 2020 proklamierten »Renovation Wave« kam es letztlich doch zu einem Schulterschluss verschiedener Denkmalinstitutionen und Institutionen des Bauwesens wie dem Bund Deutscher Architekten oder der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen.13 Insbesondere in der öffentlichen Wahrnehmung hält sich der Vorwurf, Denkmalschutz und Denkmalpflege stellten oft eine Verhinderung von Klimaschutz, Energieeffizienz und Bauwende dar. Denkmalpflege als Verhinderung von Klimaschutz und Bauwende? Der Vorwurf wird von denkmalfreundlicher Seite oft reflexartig abgetan, was in Anbetracht des statistisch geringen Anteils von Denkmalen am Gesamtgebäudebestand in Europa, von etwa einem bis drei Prozent, zunächst sinnfällig erscheint, da Maßnahmen an den weiteren 97 bis 99 Prozent des Gebäudebestands wesentlich
38 Denkmalschutz als Ausnahme von Nachhaltigkeit? mehr ins Gewicht fallen sollten. Allerdings sind Denkmale nicht gleichmäßig über das Land verteilt. So schwankt ihr Anteil beispielsweise in der Schweiz von Kanton zu Kanton von unter einem bis über sieben Prozent. Die Zentren von Städten können durch Ausweisung von Denkmalbereichen noch weitaus höhere Anteile an dem denkmalpflegerischen Genehmigungsvorbehalt unterliegenden Gebäuden aufweisen. So machen etwa in Berlins Mitte in den vormaligen Stadtteilen Dorotheenstadt, Friedrichstadt und Spandauer Vorstadt Denkmalbereiche ca. 50 Prozent der Fläche aus.14 In Weimar sind mit der Altstadt, dem Ensemble der südwestlichen Stadterweiterung, dem Asbach-Grünzug und dem Park an der Ilm fast 100 Prozent dieses Kartenausschnitts als Denkmalbereich erfasst.15 Dies deutet auch auf eine Schwierigkeit der statistischen Erfassung: In Deutschland werden etwa bei der Auswertung des Statistischen Bundesamts Denkmalbereiche nur als eine Position gezählt, obwohl diese jeweils aus mehreren Gebäuden bestehen.16 In bestimmten Regionen und Städten erlangen Gebäude, die dem denkmalpflegerischen Genehmigungsvorbehalt unterliegen, also durchaus wesentlich mehr als die statistischen 2,9 Prozent Gewicht und sind damit auch gewichtiger für das Erreichen etwa der Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes. Auch bei Relativierung der statistischen Seltenheit von Denkmalen ist es überzogen, sie sogleich als Verhinderer von energetischen Sanierungsmaßnahmen und Klimaschutzzielen darzustellen. Die in fast allen Bundesländern schon seit Längerem existierenden Leitlinien zur energetischen Sanierung oder die gerade erscheinenden Handreichungen zur Integration von Solaranlagen belegen, dass hier aktiv nach Lösungen gesucht wird – auch wenn hier der öffentliche Druck durch zivilgesellschaftliche Bündnisse und der Politik diese Entwicklungen mitbefördert hat und daher auch außerhalb der Fachdisziplin und -institutionen weiterhin nach Abwägung und Aussöhnung von Klimaschutz und Denkmalschutz gesucht wird.17 Denkmalpflege als per se nachhaltig? Während der Vorwurf der Nachhaltigkeitsverhinderung von außen an die Denkmalpflege herangetragen wird, ist die derzeitige Darstellung von Denkmalschutz und Denkmalpflege als per se nachhaltig eine von Teilen ihrer Akteur:innen geprägte Erzählung. Warum es für die Disziplin Denkmalpflege vorteilhaft ist, als nachhaltig zu gelten, ist offensichtlich. Im Zeichen der Bauwende kann denkmalpflegerisches Handeln als vorbildhaft, teils auch pioniermäßig, und damit als diesen Prozess begleitend positioniert werden – wie es Ende der 1990er Jahre bereits angedacht war. Das berührt auch die seit Jahrzehnten geführte Debatte um den AvantgardeCharakter der Denkmalpflege und die Aushandlung darum, ob auf konservative Art Traditionen bewahrt werden oder ob progressiv vorgedacht wird.18 Im Rahmen des derzeit vorherrschenden Narrativs befände sich die Denkmalpflege wieder in einer Vorhutposition und könnte im Zeichen der Bauwende Popularitätsgewinne erzielen. Ich möchte nun aufzeigen, warum ich das Narrativ der »per se« nachhaltigen Denkmalpflege allerdings für bedenklich halte. In der Diskussion um denkmalpflegerisches Handeln wird der Begriff »Nachhaltigkeit« nicht trennscharf definiert. In diesem Kontext sind heute meistens Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung gemeint, mit dem Ziel von Umwelt- und Klima-
39 schutz. Den größten Ressourcenverbrauch im Bauwesen und damit auch Denkmalbereich tragen neben den Ressourcen Geld- und Sachkapital das Material und die Energie. Damit zielt die Ressourcenschonung zumeist auf die Reparaturfähigkeit der Bauwerke (Sparen von Material- und Energieeinsatz) und auf die Verwendung traditioneller und damit ökologischer bzw. natürlicher Baustoffe. In einigen Kampagnen, etwa der DSD, oder auch in Handreichungen zum Umgang mit Denkmalen wird dabei ein Bild von Denkmalen gefördert, das längst überholt sein sollte. Die heutige Denkmallandschaft besteht eben nicht nur aus Fachwerkhäusern und nicht nur aus Bauwerken, die schadstofffrei mit natürlichen und regionalen Baumaterialien errichtet wurden. Setzt man zum Beispiel das Jahr 1870 als einen bautechnikgeschichtlichen Wendepunkt zum ingenieurmäßigen Bauen mit Stahl und Beton, so wird offenbar, dass zum Beispiel in Hessen knapp die Hälfte der Denkmale aus der Zeit nach 1870 stammt.19 In Berlin, als Großstadt eine Ausnahme unter den Bundesländern, stammt der überwiegende Teil der Denkmale ebenso aus dieser Zeit.20 Besonders ab 1950 steigt die Verwendung von Beton und Stahl im Bauwesen und spätestens mit den 1960er Jahren treten Polymere sowie verschiedene, oft toxische Zusatzstoffe (Pestizide, Brandentschleuniger etc.) hinzu. Von ökologisch oder regional kann hier nicht gesprochen werden. Ebenso wenig sind diese Gebäude noch gefügt und somit leicht reparierbar, sondern die einzelnen Materialien liegen untrennbar miteinander verbunden, verklebt oder verschweißt etc. vor. Der Gebäudebestand nach 1945 macht in Europa zwei Drittel des Gesamtgebäudebestands aus. Ihre Gebäudehüllen weisen, je älter sie sind, sehr schlechte U-Werte auf, sie haben somit einen hohen Wärmedurchgang und damit Wärmeverlust. 21 Bei den jüngeren Gebäuden ist wiederum von stärker toxischen Materialien und einer aufgrund der Bauweisen schlechteren Reparierbarkeit auszugehen. Das sind jedoch die Denkmale der Zukunft! Mit diesem Bestand beschäftigt sich die Inventarisation schon jetzt und wird sie sich zukünftig am stärksten beschäftigen. Weitere Argumente, die in der aktuellen Debatte für die Nachhaltigkeit der Denkmalpflege angeführt werden, sind, dass Denkmale energetisch ertüchtigt werden können und dass ihr Erhalt und eine Weiter- bzw. Umnutzung statt eines Neubaus wesentlich Material- und Energie (inklusive grauer Energie) einsparen. Auch diese beiden Argumente sind recht voraussetzungsreich und auch hier möchte ich festhalten, dass die Aussagen nicht in einer Absolutheit funktionieren. Dazu muss man sagen: Wir akzeptieren längst Ausnahmen von Nachhaltigkeit in Bezug auf Ressourceneffizienz am Denkmal. Wir akzeptieren, dass zum Beispiel die Ressource »Geldkapital« des Eigentümers mehr verbraucht wird, was durch Förderungen des »denkmalpflegerischen Mehraufwands« und durch steuerliche Sonderabschreibungen sowohl anerkannt als auch kompensiert wird. Auch die im Gebäudeenergiegesetz und den Richtlinien zur KfW-Förderung formulierten Ausnahmen sehen Abweichungen im Rahmen der energetischen Ertüchtigung und damit eine schlechtere Energieeffizienz von Denkmalen vor.22 Wir akzeptieren Ausnahmen eines ressourcenschonenden Handelns auch im praktischen Umgang mit Denkmalen, wofür ich ein paar Beispiele anbringen möchte: So wurde 2012 im niedersächsischen Oelde die erste deutsche Spannbetonbrücke von 1938, die einer breiteren Brücke über die A2 weichen musste, transloziert. Die hohen Kosten hierfür wurden bundesweit in den Medien kritisiert; die Brücke hat
40 Denkmalschutz als Ausnahme von Nachhaltigkeit? am neuen Ort, der Raststätte Vellern, nun nur noch die Funktion als Aussichtspunkt und muss weiterhin instandgehalten werden.23 Das Argument der Weiternutzung vor Neubau greift hier also nur bedingt. (Abb. 1) Zu denken ist auch an die beinahe rituellen Sanierungen des Einsteinturms (Erich Mendelsohn, 1922) in Potsdam, die sich aufgrund bautechnischer und -physikalischer Mängel seit seiner Errichtung etwa alle zehn Jahre ergaben und nun mithilfe der Bauforschung und der Wüstenrot Stiftung nur noch alle 20 Jahre erforderlich sind.24 Mittlerweile werden die Baumängel als beinahe denkmalkonstituierend erachtet.25 Auch hier muss man sagen: Wir leisten uns dieses Denkmal und wenden fortwährend Ressourcen dafür auf. Als weiteres Beispiel möchte ich den Umlauftank 2 (Ludwig Leo, 1974; Sanierung: HG Merz/adb Büro für Architektur, Denkmalpflege und Bauforschung Ewerien und Obermann) in Berlin anführen. Im Rahmen der Sanierung 2014–2017 wurde der PU-Schaum an den ikonischen rosa Röhren zwar materialsparend repariert, aber eben unter Wiederholung der Verwendung nicht-ökologischer Materialien.26 Allgemein kann hier auf die Herausforderung für das Prinzip der Materialgerechtheit bei Denkmalen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwiesen werden. Zudem wird das Bauwerk derzeit nicht vollumfänglich genutzt. (Abb. 2) 1 Der an die Raststätte Vellern translozierte Brückenüberbau der ehemals die A2 überquerenden Brücke »Überführung Weg Hesseler«. Sie war 1938 eine der ersten im Spannbettverfahren errichteten Brückenbauten der Welt und ist seit 1991 eingetragenes Denkmal.
41 Neben diesen eher bekannten Fällen existieren eine Vielzahl weiterer Denkmale, die einer Nutzung harren, für die es keine Nachnutzungsoptionen oder Nachnutzungsideen gibt und für die in der Regel weiterhin Ressourcen aufgewendet werden müssen. Mein Fazit nach diesen Ausführungen ist somit: Denkmalpflege ist nicht automatisch nachhaltig – und sie muss es auch nicht zwangsläufig sein. Demgegenüber existieren selbstverständlich das Handlungswissen und die Erfahrungen, mit denen die Denkmalpflege die Bauwende begleiten sowie instruierend und vorbildhaft tätig sein kann und soll. Natürlich sind viele Denkmale reparierbar. Und selbstverständlich ist Denkmalschutz nicht per se un-nachhaltig. Dennoch: Auch in Zukunft muss Denkmalpflege Ausnahmen von nachhaltigem Handeln ermöglichen, wenn es bestimmte Bauwerke und Zeugnisse bestimmter Zeiten zu tradieren gilt. Denkmalpflege und Nachhaltigkeit – Blick in die Zukunft Vor diesem Hintergrund möchte ich ein zukünftiges Narrativ von Denkmalpflege und Nachhaltigkeit skizzieren. Mit einer Ausnahme von nachhaltigem Handeln für denkmalpflegerisches Handeln ist dabei nicht ein Gebot der Ausnahme, sondern eine 2 Minimalinvasive und materialgerechte Sanierung der Ummantelung der Röhren des Umlauftanks 2 der TU Berlin mit PU-Schaum, 2017
72 Wohnen in der Scheune, Arbeiten in der Feuerwache, Urlaub in der Fabrik Ländliche Entwicklung, Bauwende und Denkmalpflege Christian Rößler Seit der Friedlichen Revolution vor 30 Jahren und der Wiedervereinigung sind auch in Sachsen maßgebliche Veränderungen des Lebens auf dem Land zu verzeichnen. Einige dieser Veränderungsprozesse waren schon viel früher angelegt und wurden infolge der Ereignisse von 1989 noch beschleunigt. So durchlebten Wirtschaft und Landwirtschaft einen großen Strukturwandel. Die Zahl der Einwohner nahm in vielen Orten dramatisch ab. Es kam zu einem umfassenden Rückzug von Versorgungsangeboten aus der Fläche. »Rund 1000 Schulen wurden in Sachsen in den letzten 25 Jahren geschlossen. Mit der Stilllegung von 500 Kilometern Schienennetz fielen zahlreiche Bahnhöfe leer.«1 Ebenso erging es vielen Gemeindeämtern, Gasthöfen, Fabriken oder Postämtern. Oft handelte es sich dabei um ortsbildprägende, baukulturell wertvolle und identitätsstiftende Gebäude, die ihre Nutzung verloren. Das betraf auch viele Denkmale. Vor diesem Hintergrund wurde schon in den frühen 1990er Jahren deutlich, dass der Erhalt und die Entwicklung der regionalen Baukultur ein wichtiges Anliegen für die ländliche Entwicklung in Sachsen werden muss. Dabei galt von Anbeginn vor allem die Umnutzung leerstehender Gebäude als Königsweg einer nachhaltigen Dorfentwicklung. Abb. 1 zeigt eine Grafik der Sächsischen Umnutzungsfibel aus dem Jahr 2002. Sie beschreibt die nachhaltige Wirkung der Umnutzungen in drei Dimensionen: Umnutzungen sind von großer Bedeutung u.a. für den Erhalt von Siedlungsstrukturen, die Bewahrung von regionalen Eigenarten und Identitäten. Aber auch ökologische und ökonomische Gründe sprechen dafür. Umnutzungen können nicht verordnet werden. Es braucht den Wunsch und die Möglichkeit der Eigentümer und Investoren, Gewachsenes zu erhalten und Bestandsgebäude an neue Bedürfnisse anzupassen. Diese Aktivitäten werden durch Förder- und Beratungsangebote unterstützt. Auf vielfältige Art und Weise wird für die Um- und Wiedernutzung leerstehender Gebäude geworben. Aktuell sind dabei die LEADER-Förderung, verschiedene Beratungsangebote und der Staatspreis für Ländliche Entwicklung wichtige Bausteine der Unterstützung in den ländlichen Räumen.
73 LEADER unterstützt ländliche Baukultur In Sachsen werden das Bauen im Bestand und die Innenentwicklung der Dörfer und Landstädte maßgeblich über das LEADER-Programm unterstützt. Charakteristikum des LEADER-Ansatzes im Freistaat ist, dass 30 Regionen eine eigene Entwicklungsstrategie über ein regionales Budget umsetzen. Das Budget wird ihnen aus EU- und Landesmitteln zur Verfügung gestellt. Jede der 30 sächsischen Regionen hebt in ihrer Entwicklungsstrategie den Wert und die Wichtigkeit von Baukultur hervor. Insgesamt wurden so allein für Wohnzwecke zwischen 2014 und 2022 etwa 1500 Um- und Wiedernutzungsmaßnahmen gefördert. Wie Denkmale bei dieser Förderung behandelt werden, unterscheidet sich von Region zu Region. Das heißt: Die Fördersätze und auch die Priorisierung des Denkmalschutzes bei der Auswahl der Fördervorhaben sind in den Entwicklungs1 Auszug aus der Sächsischen Umnutzungsfibel II Soziokulturelle Dimension 1. Individuelle Lebensqualität (weicher Standortfaktor) 2. Ansiedlung v.a. junger Familien, leichtere Integration von Zuzüglern 3. Belebung von Ortskernen, Erhaltung regionaler Bau- und Siedlungsformen und Handwerkstechniken (Kulturgut) 4. Bewahrung regionaler Eigenart und Identität Ökonomische Dimension 5. Werterhaltung 6. Flexibilität und Eigenleistung in der Realisierung 7. regionales Handwerk schafft regionale Wertschöpfung (Beschäftigungseffekte) 8. Erhaltung einer vielfältigen, lebendigen Dorfstruktur durch Gewerbestandorte im Ort Ökologische Dimension 9. praktizierter Umweltschutz Reduzierung von Material- und Energieverbrauch durch Wiederverwendung Nutzung vorhandener Infrastruktur vorrangiger Einsatz nachwachsender Rohstoffe Vermeidung weiterer Bodenversiegelung und Landschaftszersiedelung Erhaltung bestehender Lebensräume am und im Gebäude (Artenschutz)
2 Begünstigte mit Vorhaben zum Erhalt eines Denkmals, Anzahl und Fördersumme 3 In der Gemeinde Niederau wurden verschiedene investive Maßnahmen unterstützt: Förderhinweis am Schloss Oberau Private Antragsteller Kirche, Kirchenverband, kirchliche Einrichtungen Gebietskörperschaft Natürliche Person ausschließlich mit nichtlandwirtschaftlichem Unternehmen Eingetragener Verein Natürliche Person als landwirtschaftliches Einzelunternehmen Andere Rechtsform Anzahl Vorhaben und Fördersumme für den Erhalt von Kulturdenkmalen nach Art der Begünstigten 446 610 225 129 610 22 73 47,07 Mio. 44,46 Mio. 21,18 Mio. 12,13 Mio. 13,47 Mio. 1,41 Mio. 6,78 Mio.
75 strategien unterschiedlich verankert. In einigen Regionen ist der Denkmalstatus Voraussetzung für eine Förderung, in anderen ist es ein Ranking- und/oder Kohärenzkriterium. Etwa 1600 LEADER-Projekte waren in den Jahren 2014 bis 2022 mit dem Erhalt von Kulturdenkmalen verbunden. Insgesamt beliefen sich deren Förderungen auf etwa 146,5 Millionen Euro. Das heißt, dass etwa 20 Prozent aller LEADER-Projekte im Kontext der Förderung von Umnutzung, Wiedernutzung oder Sanierung an einem Kulturdenkmal stattfanden. Am häufigsten wurden private Eigentümer von Kulturdenkmalen gefördert. Dabei handelte es sich zumeist um Vorhaben zu Wohnzwecken. An zweiter Stelle standen kirchliche Antragsteller. Kommunen, deren Projekte ein weites Spektrum von Maßnahmen an Rathäusern bis hin zu Parkanlagen umfasste, sind die dritthäufigsten Antragsteller (Abb. 2 und 3). Beratungsangebote unterstützen Interessierte Informations- und Beratungsangebote für Interessierte stellt das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung mit seinem gesamten Geschäftsbereich zur Verfügung. Daneben werden verschiedene Vereine und Netzwerke in ihrer Netzwerk- und Beratungstätigkeit unterstützt, darunter z.B. das »Denkmalnetz Sachsen« oder die »Dezentrale – Netz für gemeinschaftliches Wohnen in Sachsen«. Zu Fördermöglichkeiten über LEADER informieren die Regionalmanagements der einzelnen LEADER- Regionen. Der Staatspreis Ländliches Bauen würdigt beispielhafte Projekte Der Sächsische Staatspreis Ländliches Bauen ist ebenfalls ein wertvoller Beitrag für die Vermittlung von Chancen ländlicher Baukultur. Der Wettbewerb wird seit 2021 als Staatspreis vom Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung im Rahmen seiner Baukulturinitiative ausgelobt. Die Geschichte des Wettbewerbs reicht jedoch bis in die frühen 1990er Jahre zurück. 1993 startete ein erster Landeswettbewerb zum »Landwirtschaftlichen Bauen«. Seit 1998 würdigte der Landeswettbewerb die ganze Bandbreite des ländlichen Bauens unter dem Titel »Ländliches Bauen – Erhalten, Pflegen und Gestalten«. Der Wettbewerb zeichnet beispielhafte Projekte aus, die mit dem Strukturwandel ländlicher Regionen verbundene Bauaufgaben kreativ und in hoher architektonischer Qualität lösen. Im Fokus stehen vor allem Umbau- und Sanierungsvorhaben sowie neugestaltete Freianlagen, aber auch Neubauten im Einklang mit der Siedlungsstruktur. Alle zwei Jahre richtet sich der Wettbewerb an Bauherren, Planer und Architekten. In den zurückliegenden Jahren schwankte die Teilnehmerzahl zwischen 80 und 150. Bei etwa der Hälfte der Bewerbungen handelt es sich um Maßnahmen an denk-
malgeschützten Objekten. Eine Jury, in der Experten für alle Bewertungsbereiche des Wettbewerbs vertreten sind, prüft und bewertet alle Einreichungen. Je ein Staatspreis wird in den vier Kategorien Wohnen, Gewerbe, Öffentliche Nutzung und Multiple Nutzung vergeben. Die Preise sind jeweils mit 5 000 Euro dotiert. Die Bewertungskriterien umfassen u.a. die architektonisch-gestalterische Qualität und den Bezug zu regionalen Bauformen und Bauweisen. Gleichzeitig spielen u.a. Barrierefreiheit und gemeinschaftsfördernde Ansätze eine Rolle. Immer stärker nimmt die Jury aber auch Aspekte des nachhaltigen und klimagerechten Bauens in den Blick. Hervorzuheben ist eine große, im 18. Jahrhundert erbaute Pfarrscheune im historischen Pfarrhof von Kitzen (Abb. 4). Die Sanierung und Umnutzung dieser denkmalgeschützten Pfarrscheune erhielt den Staatspreis »Öffentliche Nutzung« im Jahr 2023. Die Jury würdigte das Objekt wie folgt: »So wenig wie möglich und so viel wie nötig, war das Motto bei der Lösung dieser anspruchsvollen Bauaufgabe. Das Ergebnis beeindruckte sowohl die Jury, als auch die Leute im Ort. Nach einer sorgfältigen Sanierung ist ein multifunktional nutzbarer, barrierefreier Raum mit Küche, WC und einer Künstlerwerkstatt entstanden. Es finden hier verschiedene Veranstaltungen, musikalische Proben und sogar ein Weihnachtsmarkt statt. Bereits im Prozess der Entstehung, mit vielen Arbeitseinsätzen und einer Menge Eigenleistung wird hier Gemeinschaft gelebt. Der Wettbewerbsbeitrag setzt dem allgemeinen Streben nach Perfektion das besondere Wissen um das wirklich Notwendige entgegen. Der spar4 Pfarrscheune Kitzen, Staatspreisträger 2023 in der Kategorie »Öffentliche Nutzung«
77 1 Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) (Hrsg.): Sächsischer Landeswettbewerb 2015 Ländliches Bauen. Dresden 2016, S. 36. 2 Sächsisches Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR) (Hrsg.): Sächsischer Staatspreis Ländliches Bauen, Dresden 2023, S. 14. Abbildungsnachweis Abb. 1 SMUL 2002, S. 3. Abb. 2 LfULG, Ref. 23. Abb. 3 Markus Thieme. Abb. 4 Ines Pöschmann-Panzer. same Umgang mit Ressourcen durch die Bergung wiederverwendbarer Baumaterialien, die Reparatur der Holzkonstruktion, das Aufarbeiten historischer Bauteile, wie der Scheunentore, und nicht zuletzt das Weglassen der Beheizung durch die bewusste Entscheidung für den Sommerbetrieb zeichnen dieses Objekt mit einem konsequent nachhaltigen Ansatz aus.«2 Staatspreisträger und ausgezeichnete Projekte werden durch Ausstellungen, Broschüren und Filme einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Diese Veröffentlichungen erfreuen sich großen Interesses. 5 Christian Rößler
120 Ein Schalenbau wirft sich in Schale Die energetische und denkmalgerechte Sanierung des Messepavillons in Rostock-Schutow Peter Writschan Der Pavillon wurde 1966 für die Präsentation der Themenbereiche Bauwesen und Erdölförderung auf der Ostseemesse nach einem Entwurf des Architekten Erich Kaufmann und des Ingenieurs Ulrich Müther erbaut. Hier konnte Ulrich Müther (geboren 21.7.1934 in Binz, verstorben 21.8.2007 in Binz) das erste Mal in größerem Maßstab seine kühne Schalenkonstruktion realisieren. Der Erfolg dieses Bauwerks brachte ihm den Durchbruch als Schalenbaumeister. Er war zugleich Bauingenieur und Bauunternehmer. So entwarf und baute er weltweit etwa 74 Bauwerke mit doppelt gekrümmten Beton-Schalentragwerken. Ulrich Müther gehörte zu den weltweit führenden Schalenbaumeistern und wurde dadurch zu einem bedeutenden Repräsentanten der architektonischen Moderne der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese internationale Anerkennung erfuhr er allerdings erst spät. Die lebhafte Diskussion um den Abriss der Berliner Gaststätte »Ahornblatt« im Jahr 2000 rückte sein Lebenswerk erstmals in die breite Öffentlichkeit. Es erschienen dazu rund 200 Zeitungsartikel und auch kurze TV-Beiträge. »Der Abriss des Ahornblatts in Berlin hat mich aus der Versenkung geholt«, resümierte er danach. Seitdem besteht ein großes Interesse an seinen »kühnen Solitären«.1 Ulrich Müther konnte bei seinen Konstruktionen auf bautechnische Entwicklungen seit den 1920er Jahren aufbauen. Vorreiter waren Ingenieure von Carl Zeiss Jena und der Baufirma DYWIDAG. In enger Zusammenarbeit planten und realisierten sie 1925 den ersten Kuppelbau mit einer dünnen Betonschale für das Zeiss-Planetarium in Jena. Der architektonische Entwurf stammte von den Architekten Schreiter & Schlag. DYWIDAG baute in der Folge weitere Schalenbauten, so z.B. das Dach der Großmarkthalle Leipzig (den sogenannten Kohlrabizirkus), ab 1943 auch eine Serie von Betonschiffen mit einer Betonschale von sieben Zentimetern, von denen eines im Schifffahrtsmuseum Rostock-Schmarl liegt. Inspirierend war für Müther auch das Werk des mexikanisch-amerikanischen Architekten und Schalenbaumeisters Felix Candela (1910–1997).2 Der Messepavillon in Rostock-Schutow basiert auf zwei gleich großen, versetzt angeordneten Quadraten mit jeweils 20 Metern Seitenlänge und wird von sieben Zentimeter starken Betonschalen überdacht, die ein hyperbolisches Paraboloid bilden (daher stammt die verkürzte Bezeichnung »Hyparschale«). Die Schalen stehen jeweils auf zwei »Beinen« (Abb. 1). Diese sind im Fundament durch Spannstähle
miteinander verbunden. Eckstützen aus Stahl stabilisieren die freien »Flügel«. Die Schalung bestand aus leicht versetzt angeordneten geraden Brettern (Abb. 2). Der Beton wurde zu der Zeit mit einem Kran in großen Gefäßen auf die Netzbewehrung aus Stahlmatten aufgebracht und sorgfältig verdichtet.3 Bei späteren Bauten konnte Müther eine Torkretiermaschine einsetzen, die extra für ihn aus der Bundesrepublik eingeführt wurde. Sie ermöglichte den Einsatz von Spritzbeton und sicherte so eine hohe Qualität der Betonschale. 1 Konstruktionsmodell der Schalen 2 Schalungsaufbau 1966
122 Ein Schalenbau wirft sich in Schale Die energetische und denkmalgerechte Sanierung des Messepavillons in Rostock-Schutow Dieser Erstlingsbau in Rostock-Schutow war zwar noch experimentell, dennoch eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Die Bauweise ist materialsparend und damit durchaus nachhaltig, aber arbeitsintensiv. Gleichzeitig sind die Schalenbauten bis heute identitätsstiftend. Der Messepavillon befindet sich auf dem ehemaligen Messegelände RostockSchutow. Dieses wurde ab 1966 als Standort für die jährliche Ostseemesse, eine Leistungsschau der DDR-Wirtschaft, entwickelt. Die städtebauliche Konzeption stammt von Konrad Brauns und Helmut Kossner, Letzterer entwarf auch zahlreiche Hochbauten. Vom repräsentativ gestalteten Haupteingang an der Hauptstraße, an der sich die 1968 errichtete Gaststätte befand, zog sich eine Fußgängerachse durch das Gelände, an der kammartig eingeschossige Pavillons mit Klinkermauerwerk und Profilglasverkleidung lagen. Optischer Zielpunkt war der zweigeschossige Achteckpavillon mit seinem markanten Brunnen.4 Parallel zur Messe fand die Ostseewoche statt, in der ein kultureller Austausch insbesondere mit den nordischen Ländern gepflegt wurde, um für die Anerkennung der DDR zu werben. Deshalb hat man auf dem Messegelände auch gern innovative Bauweisen präsentiert. Nachdem die DDR 1973 international als eigener Staat anerkannt wurde, somit das Ziel erreicht war, stellte man die aufwendige Ostseewoche und die dazugehörige Messe 1975 ein. Es fand danach zwar noch die »Messe der Meister von Morgen« statt (vergleichbar mit der Aktion »Jugend forscht«), aber die große Zeit des Messegeländes war vorbei. Die Hallen wurden nun u.a. für Handel und Lagerzwecke genutzt. Nach 1990 verkaufte die Treuhand die Grundstücke einzeln an verschiedene Interessenten. Der Messepavillon ging an ein Autohaus. Damit begann die problematische Nutzungsgeschichte des Gebäudes, die zu erheblichen Schäden führte. Ursprünglich wurde der Pavillon für die Nutzung in der warmen Jahreszeit errichtet und besaß nur eine großflächige Einscheibenverglasung sowie eine geringfügige Dachdämmung als sommerlichen Wärmeschutz. Eine Kühlung gab es nicht. Die Belüftung erfolgte über wenige kleine Kippfenster. Das Autohaus wurde jedoch ganz3 Schadensbild in der Nordhalle
123 jährig genutzt. Während die Südhalle als Ausstellungsraum für Fahrzeuge diente und nur mäßig temperiert war, befand sich in der Nordhalle die Werkstatt. Diese wurde intensiv mit einer Ölheizung inklusive Gebläse beheizt. Dabei wurden alle bauphysikalischen Grundregeln missachtet. So kam es zu starken Kondenswasserschäden. Aufgrund von Spannungszuständen waren mehre der großen Glasscheiben gesprungen. Die nachträglich eingebauten Wartungsgruben und Technikfundamente zerstörten den Fußbodenaufbau großflächig (Abb. 3). Das nunmehr neue Nutzungskonzept eines ganzjährig genutzten Ladengeschäfts (Anglerbedarf) erforderte eine energetische Sanierung, die eine wirtschaftliche Betreibung des Objekts ermöglichen, aber auch das Denkmal wieder in Wert setzen sollte. Daraus ergaben sich folgende Sanierungsziele (Abb. 4): Rückbau aller nachträglichen Ein- und Anbauten Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbilds Sanierung von Betonschale und Stahlstützen im Bestand Erneuerung des Fußbodens inklusive der Heizung Winterlicher und sommerlicher Wärmeschutz, Doppelverglasung Effektive Lüftung und regenerative Energieversorgung (Erdwärme) Mindestens KfW-55-Status Während die Schalenkonstruktion kaum Schäden aufwies, bestand die große Herausforderung darin, das Gebäude an die aktuellen energetischen Anforderungen anzupassen. Die Einscheibenverglasung konnte daher nicht erhalten werden. Die neue Thermoverglasung sollte trotz ihrer größeren Bautiefe und des höheren Gewichts jedoch die originale Ansicht und konstruktive Struktur nicht verändern. Dies gelang mittels intensiver Diskussionen zu den Details zwischen dem Bauherrn, dem Planer, den engagierten Handwerkern und den Denkmalbehörden. Neben der Wärmedämmung, auch in Dach und Fußboden, war eine sorgfältige Planung der Haustechnik 4 Erläuterung der Sanierungsziele für den Messepavillon Rostock-Schutow durch Peter Writschan während der Tagung
erforderlich, um die riesigen Räume wirtschaftlich betreiben zu können. Daher wurde im Vorfeld eine hydrothermische Simulation durchgeführt, auf der die Planung aufbauen konnte. Zu den haustechnischen Elementen (Abb. 5) gehören eine Fußbodenheizung und ein ausgeklügeltes Lüftungssystem, das sommerliche Wärme abführt und Kondenswasserbildung am kritischen Übergang von der Fassade zu der durchstoßenden Dachschale (Kältebrücke) verhindert. Das Lüftungssystem kann sowohl heizen als auch kühlen. Die Luft aus den Weitwurfdüsen, die an den tiefsten Punkten der Dachschale angeordnet sind, folgt der Dachschale bzw. der Fassade, wird an den höchsten Punkten des Daches wieder aufgefangen und der Wärmerückgewinnung zugeführt. Auch der neu aufgebaute Fußboden, wieder wie ursprünglich in Klinkern ausgeführt, dient als Heizung, Kühlung und Speicher. Die Beheizung erfolgt mit Erdwärme. Unter der benachbarten Grünfläche wurden in zwei Ebenen die Geokollektoren untergebracht und in einem eigenen unterirdischen Bauwerk die 5 Querschnitt mit Lüftungsprinzip 6 Gesamtansicht nach der Sanierung
125 Wärmepumpentechnik. Durch diese Maßnahmen konnte ein Gebäudezustand mit über 80 Prozent erneuerbarer Energie erzielt werden. Hier zeigt sich, dass auch in einem Denkmal ein Primärenergielevel von KfW 55 erreicht werden kann. Der Pavillon ist vollständig barrierefrei. Besonders zu würdigen sind das große Engagement des Bauherrn für diese aufwendige Sanierung, die sorgfältige Planung des Architekten sowie Erfindungsreichtum und Geschick der Handwerker, die für schwierige Details interessante Lösungen fanden. Bemerkenswert ist die trotz der Coronapandemie kurze Bauzeit von einem Jahr. Nach der Fertigstellung im Jahr 2022 urteilte der Bauherr: »Alle Aufgabenstellungen erfüllt, moderner als ein Neubau.« (Abb. 6)5 Die überzeugende Gesamtleistung von Bauherr, Planer und Denkmalbehörden erhielt 2023 den Publikumspreis der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern. Bauherr: Holger Junge, Junge Immobilien GmbH, Nienhagen Planer: Carsten Großmann, DIA-Planer, Doberan Denkmalbehörden: Jan Schirmer, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, Schwerin; Peter Writschan, Untere Denkmalschutzbehörde Rostock 1 Joost, Carsten: Hyperbolische Paraboloide. Ulrich Müther, Schalenbaumeister der DDR. In: Berliner Stadtzeitung Steinschlag, Ausgabe 11, 2002. 2 Müther, Ulrich: Spannweite der Gedanken, Firmenbroschüre der Müther GmbH Spezialbetonbau, Ohne Jahresangabe, 1990er Jahre. 3 Kaufmann, Erich; Müther, Ulrich: Messehalle in Rostock. In: Deutsche Architektur, Heft 11/1966. 4 Architekturführer der DDR, Bezirk Rostock, S. 43, Berlin: Verlag für Bauwesen, 1977. 5 Weiterführende Quellen und Literatur: Bauantrag und Detailplanungen des Architekten Carsten Großmann; Archivalien der unteren Denkmalschutzbehörde Rostock (UDB); Baustellenbesuche und Notizen des Verfassers; Jubiläumstagung »Ulrich Müthers erstes Meisterwerk. Neue Erkenntnisse zur Messehalle Bauwesen und Erdöl« in RostockSchutow, 11. März 2024, Cliff-Hotel Rügen, Sellin. Dort insbesondere: Großmann, Carsten: Klimakonzept in der Umnutzung der Messehalle Schutow; Dechau, Wilfried: Kühne Solitäre, München: DVA, 2000; Michael, Kai: Nach der Utopie. In: brand eins, 2003; Seeböck, Tanja: Schwünge in Beton. Die Schalenbauten von Ulrich Müther. Schwerin: Thomas Helms Verlag, 2016; Beckh, Matthias u. a.: Candela Isler Müther. Positionen zum Schalenbau, Basel: Birkhäuser, 2021; Prof. Ludwig, Matthias, Fakultät für Gestaltung, Hochschule Wismar, Leiter des Müther-Archivs. Abbildungsnachweis Abb. 1 Modellbau Hochschule Wismar, Foto: Peter Writschan, 2019. Abb. 2 Hans-Otto Möller, 1966, Sammlung UDB. Abb. 3 Peter Writschan, 2019. Abb. 5 Zeichnung Architekt Carsten Großmann (Veröffentlichung mit seiner freundlichen Genehmigung). Abb. 6 Peter Writschan, 2024.
168 Historisches Fensterglas als erhaltenswerte Bausubstanz? Ein Beitrag zur Bauwende Heiko Schanze, Lothar Herlitze, Katja Wilmsen-Flüchter Historisches Fensterglas ist weit mehr als nur ein funktionales Bauelement. Es ist Zeugnis vergangener Epochen, Träger kultureller und handwerklicher Traditionen und prägendes Element historischer Gebäude. In diesem Artikel beleuchten wir die Bedeutung von historischem Glas in der Denkmalpflege, stellen seine denkmalpflegerische Wertigkeit heraus und befassen uns mit den Herausforderungen sowie den Möglichkeiten der Restaurierung und Wiederverwendung. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, das Bewusstsein für die Erhaltung und Wiederverwendung dieses einzigartigen historischen Materials zu schärfen. Historische und kulturelle Bedeutung von Fensterglas Die Geschichte des Glases reicht über 7000 Jahre zurück. Bereits in der Antike wurden erste Glasfenster in römischen Thermen eingesetzt. Im Mittelalter erlangten die kunstvoll gefertigten Glasmalereien in Kirchen besondere Bedeutung. Jedes Glas erzählt eine Geschichte – von den ersten geblasenen Butzenscheiben bis hin zu den großflächigen mundgeblasenen Flachgläsern, die um 1851 in beeindruckenden Bauwerken wie dem Kristallpalast in London verwendet wurden.1 Historisches Glas ist nicht nur aufgrund seines Alters bedeutsam, sondern auch wegen seiner einzigartigen handwerklichen Herstellungstechniken und ästhetischen Qualität. Es verleiht Gebäuden eine charakteristische Optik und trägt zur Authentizität und historischen Integrität bei. Jede Glasart und jedes Herstellungsverfahren spiegeln die technologischen und künstlerischen Errungenschaften ihrer Zeit wider. So stellt Fensterglas aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit ein einzigartiges Meisterwerk dar, das das Licht in besonderer Weise bricht und farbenprächtige Lichtspiele in die Innenräume historischer Gebäude zaubert. Aktuelle Situation und Herausforderungen Trotz seiner Bedeutung steht historisches Fensterglas oftmals vor dem Aus. In fast allen Restaurierungsprojekten wird es durch modernes Floatglas ersetzt, da dieses kostengünstiger und einfacher zu beschaffen ist. Diese Praxis führt jedoch zu einem unwiederbringlichen Verlust der originalen Bausubstanz und verändert das Erscheinungsbild historischer Gebäude fundamental. 1 Heiko Schanze zur Dresdner Denkmalfachtagung
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