38 Denkmalschutz als Ausnahme von Nachhaltigkeit? mehr ins Gewicht fallen sollten. Allerdings sind Denkmale nicht gleichmäßig über das Land verteilt. So schwankt ihr Anteil beispielsweise in der Schweiz von Kanton zu Kanton von unter einem bis über sieben Prozent. Die Zentren von Städten können durch Ausweisung von Denkmalbereichen noch weitaus höhere Anteile an dem denkmalpflegerischen Genehmigungsvorbehalt unterliegenden Gebäuden aufweisen. So machen etwa in Berlins Mitte in den vormaligen Stadtteilen Dorotheenstadt, Friedrichstadt und Spandauer Vorstadt Denkmalbereiche ca. 50 Prozent der Fläche aus.14 In Weimar sind mit der Altstadt, dem Ensemble der südwestlichen Stadterweiterung, dem Asbach-Grünzug und dem Park an der Ilm fast 100 Prozent dieses Kartenausschnitts als Denkmalbereich erfasst.15 Dies deutet auch auf eine Schwierigkeit der statistischen Erfassung: In Deutschland werden etwa bei der Auswertung des Statistischen Bundesamts Denkmalbereiche nur als eine Position gezählt, obwohl diese jeweils aus mehreren Gebäuden bestehen.16 In bestimmten Regionen und Städten erlangen Gebäude, die dem denkmalpflegerischen Genehmigungsvorbehalt unterliegen, also durchaus wesentlich mehr als die statistischen 2,9 Prozent Gewicht und sind damit auch gewichtiger für das Erreichen etwa der Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes. Auch bei Relativierung der statistischen Seltenheit von Denkmalen ist es überzogen, sie sogleich als Verhinderer von energetischen Sanierungsmaßnahmen und Klimaschutzzielen darzustellen. Die in fast allen Bundesländern schon seit Längerem existierenden Leitlinien zur energetischen Sanierung oder die gerade erscheinenden Handreichungen zur Integration von Solaranlagen belegen, dass hier aktiv nach Lösungen gesucht wird – auch wenn hier der öffentliche Druck durch zivilgesellschaftliche Bündnisse und der Politik diese Entwicklungen mitbefördert hat und daher auch außerhalb der Fachdisziplin und -institutionen weiterhin nach Abwägung und Aussöhnung von Klimaschutz und Denkmalschutz gesucht wird.17 Denkmalpflege als per se nachhaltig? Während der Vorwurf der Nachhaltigkeitsverhinderung von außen an die Denkmalpflege herangetragen wird, ist die derzeitige Darstellung von Denkmalschutz und Denkmalpflege als per se nachhaltig eine von Teilen ihrer Akteur:innen geprägte Erzählung. Warum es für die Disziplin Denkmalpflege vorteilhaft ist, als nachhaltig zu gelten, ist offensichtlich. Im Zeichen der Bauwende kann denkmalpflegerisches Handeln als vorbildhaft, teils auch pioniermäßig, und damit als diesen Prozess begleitend positioniert werden – wie es Ende der 1990er Jahre bereits angedacht war. Das berührt auch die seit Jahrzehnten geführte Debatte um den AvantgardeCharakter der Denkmalpflege und die Aushandlung darum, ob auf konservative Art Traditionen bewahrt werden oder ob progressiv vorgedacht wird.18 Im Rahmen des derzeit vorherrschenden Narrativs befände sich die Denkmalpflege wieder in einer Vorhutposition und könnte im Zeichen der Bauwende Popularitätsgewinne erzielen. Ich möchte nun aufzeigen, warum ich das Narrativ der »per se« nachhaltigen Denkmalpflege allerdings für bedenklich halte. In der Diskussion um denkmalpflegerisches Handeln wird der Begriff »Nachhaltigkeit« nicht trennscharf definiert. In diesem Kontext sind heute meistens Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung gemeint, mit dem Ziel von Umwelt- und Klima-
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