Leseprobe

120 Ein Schalenbau wirft sich in Schale Die energetische und denkmalgerechte Sanierung des Messepavillons in Rostock-Schutow Peter Writschan Der Pavillon wurde 1966 für die Präsentation der Themenbereiche Bauwesen und Erdölförderung auf der Ostseemesse nach einem Entwurf des Architekten Erich Kaufmann und des Ingenieurs Ulrich Müther erbaut. Hier konnte Ulrich Müther (geboren 21.7.1934 in Binz, verstorben 21.8.2007 in Binz) das erste Mal in größerem Maßstab seine kühne Schalenkonstruktion realisieren. Der Erfolg dieses Bauwerks brachte ihm den Durchbruch als Schalenbaumeister. Er war zugleich Bauingenieur und Bauunternehmer. So entwarf und baute er weltweit etwa 74 Bauwerke mit doppelt gekrümmten Beton-Schalentragwerken. Ulrich Müther gehörte zu den weltweit führenden Schalenbaumeistern und wurde dadurch zu einem bedeutenden Repräsentanten der architektonischen Moderne der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese internationale Anerkennung erfuhr er allerdings erst spät. Die lebhafte Diskussion um den Abriss der Berliner Gaststätte »Ahornblatt« im Jahr 2000 rückte sein Lebenswerk erstmals in die breite Öffentlichkeit. Es erschienen dazu rund 200 Zeitungsartikel und auch kurze TV-Beiträge. »Der Abriss des Ahornblatts in Berlin hat mich aus der Versenkung geholt«, resümierte er danach. Seitdem besteht ein großes Interesse an seinen »kühnen Solitären«.1 Ulrich Müther konnte bei seinen Konstruktionen auf bautechnische Entwicklungen seit den 1920er Jahren aufbauen. Vorreiter waren Ingenieure von Carl Zeiss Jena und der Baufirma DYWIDAG. In enger Zusammenarbeit planten und realisierten sie 1925 den ersten Kuppelbau mit einer dünnen Betonschale für das Zeiss-Planetarium in Jena. Der architektonische Entwurf stammte von den Architekten Schreiter & Schlag. DYWIDAG baute in der Folge weitere Schalenbauten, so z.B. das Dach der Großmarkthalle Leipzig (den sogenannten Kohlrabizirkus), ab 1943 auch eine Serie von Betonschiffen mit einer Betonschale von sieben Zentimetern, von denen eines im Schifffahrtsmuseum Rostock-Schmarl liegt. Inspirierend war für Müther auch das Werk des mexikanisch-amerikanischen Architekten und Schalenbaumeisters Felix Candela (1910–1997).2 Der Messepavillon in Rostock-Schutow basiert auf zwei gleich großen, versetzt angeordneten Quadraten mit jeweils 20 Metern Seitenlänge und wird von sieben Zentimeter starken Betonschalen überdacht, die ein hyperbolisches Paraboloid bilden (daher stammt die verkürzte Bezeichnung »Hyparschale«). Die Schalen stehen jeweils auf zwei »Beinen« (Abb. 1). Diese sind im Fundament durch Spannstähle

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