Leseprobe

168 Historisches Fensterglas als erhaltenswerte Bausubstanz? Ein Beitrag zur Bauwende Heiko Schanze, Lothar Herlitze, Katja Wilmsen-Flüchter Historisches Fensterglas ist weit mehr als nur ein funktionales Bauelement. Es ist Zeugnis vergangener Epochen, Träger kultureller und handwerklicher Traditionen und prägendes Element historischer Gebäude. In diesem Artikel beleuchten wir die Bedeutung von historischem Glas in der Denkmalpflege, stellen seine denkmalpflegerische Wertigkeit heraus und befassen uns mit den Herausforderungen sowie den Möglichkeiten der Restaurierung und Wiederverwendung. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, das Bewusstsein für die Erhaltung und Wiederverwendung dieses einzigartigen historischen Materials zu schärfen. Historische und kulturelle Bedeutung von Fensterglas Die Geschichte des Glases reicht über 7000 Jahre zurück. Bereits in der Antike wurden erste Glasfenster in römischen Thermen eingesetzt. Im Mittelalter erlangten die kunstvoll gefertigten Glasmalereien in Kirchen besondere Bedeutung. Jedes Glas erzählt eine Geschichte – von den ersten geblasenen Butzenscheiben bis hin zu den großflächigen mundgeblasenen Flachgläsern, die um 1851 in beeindruckenden Bauwerken wie dem Kristallpalast in London verwendet wurden.1 Historisches Glas ist nicht nur aufgrund seines Alters bedeutsam, sondern auch wegen seiner einzigartigen handwerklichen Herstellungstechniken und ästhetischen Qualität. Es verleiht Gebäuden eine charakteristische Optik und trägt zur Authentizität und historischen Integrität bei. Jede Glasart und jedes Herstellungsverfahren spiegeln die technologischen und künstlerischen Errungenschaften ihrer Zeit wider. So stellt Fensterglas aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit ein einzigartiges Meisterwerk dar, das das Licht in besonderer Weise bricht und farbenprächtige Lichtspiele in die Innenräume historischer Gebäude zaubert. Aktuelle Situation und Herausforderungen Trotz seiner Bedeutung steht historisches Fensterglas oftmals vor dem Aus. In fast allen Restaurierungsprojekten wird es durch modernes Floatglas ersetzt, da dieses kostengünstiger und einfacher zu beschaffen ist. Diese Praxis führt jedoch zu einem unwiederbringlichen Verlust der originalen Bausubstanz und verändert das Erscheinungsbild historischer Gebäude fundamental. 1 Heiko Schanze zur Dresdner Denkmalfachtagung

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