18 / 19 kleinen Gruppen oder vereinzelt. Sie scheinen ein Eigenleben entwickelt zu haben, wild und drängend wie Feuer selbst. Es bedarf nicht mehr des Titels der Serie, Apokalypse, um das, was sich dort vollzieht, zu erahnen: das prophetisch-visionär angekündigte katastrophale »Ende der Geschichte«. Mit großer Ironie rekurriert Rothschild in seinem Künstlerselbstbild 8 auch auf seinen Namen Miguel (dt. Michael), den Namen des Erzengels, der im Judentum als Fürst der Synagoge, im Christentum als Fürst der Kirche und aller Engel gilt. Dieser verbannt Satan/Luzifer aus dem Himmel, waltet als Richter beim Jüngsten Gericht und lässt die guten Seelen ins Paradies einziehen. Es offenbart sich die Ambivalenz der Schöpfung: Bei Erschaffung der Welt wird die Finsternis vom Licht getrennt, der Himmel von der Erde. Diese Urbilder scheinen sich in manchen seiner Bilder (S. 57) zu spiegeln. Rothschild gehört – wie er selbst schmunzelnd preisgibt – einem leider finanziell verdorrten Zweig der großen jüdischen Familie Rothschild an, die bis heute vornehmlich als bedeutende Bankiers wirken. Die engste Familie ist auf schmerzvolle Weise mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts verbunden. Seine Großeltern väterlicherseits emigrierten mit ihrem damals zweijährigen Sohn Rudolf, Miguels Vater, 1933 aus Deutschland zunächst in Richtung Barcelona, dann in Folge des spanischen Bürgerkriegs 1936/37 nach Argentinien; die Familie mütterlicherseits floh mit ihrer damals auch erst zweijährigen Tochter, Miguels Mutter Sigrid Mayer, 1934 direkt nach Argentinien. Die beiden heirateten dort 1956. Himmel Jochen Hein war im MKdW schon mehrfach mit Arbeiten präsent, 2016 in gleich zwei Ausstellungen: zum einen in seiner Soloshow Jochen Hein. Über die Tiefe,9 zum anderen in der vom Künstler mitkuratierten Ausstellung Jenseits der Zeit, in der seine Werke in Korrespondenz mit Gemälden von Landschaftsmalern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus dem Bestand der Sammlung Kunst der Westküste traten. Begleitend arbeitete Hein auch als Artist-in-Residence auf Föhr. Heins Werke sind geprägt von einer intensiven Auseinandersetzung mit der Natur, insbesondere mit Meer, Bäumen und Himmel, aber seit 2021 auch mit arktischen Landschaften. Offensichtlich realistisch arbeitend, nähert er sich bei genauerem Hinsehen auch der Grenze zur Abstraktion an. Seine Bilder entwickeln eine besondere Spannung zwischen Nah- und Fernbetrachtung. Vermeintlich vertraute Sujets lösen sich beim Nähertreten in abstrakte, präzise angelegte Strukturen auf. Dabei verwendet der Künstler keineswegs traditionelle Maltechniken, sondern eine ganz eigene Methodik, Farbe und Bildträger zu behandeln. Auf diese Weise verleiht er seinen Bildern 8 Vgl. Miguel Rothschild: KillerTränen, Videoclip, 1999. 9 Kat. Jochen Hein. Über die Tiefe, hg. von Ulrike Wolff-Thomsen/Nicole Nix-Hauck, Heide 2016.
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