89 Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war das einzige Porzellan, das nach Europa verschifft wurde, das blau-weiße chinesische Porzellan. Etwa um diese Zeit brachten interne Konflikte in China aufgrund des Niedergangs der Ming-Dynastie (1368–1644) den Export von Porzellan größtenteils zum Erliegen und hatten schließlich auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Produktion in Jingdezhen, dem Zentrum der Porzellanherstellung. Da Porzellan dermaßen gefragt war, verlegte die VOC ihren Hauptfokus auf Japan, wo die Niederländer die einzige europäische Macht waren, der es gestattet war, mit den Japanern Handel zu treiben, und das auch nur von der künstlich angelegten Insel Dejima aus.3 Obwohl das Geheimnis der Porzellanherstellung in Japan erst Anfang des 17. Jahrhunderts entdeckt worden war, brachten die dortigen Werkstätten bald schon Objekte von höchster Qualität hervor. Die ersten Lieferungen aus Japan enthielten nicht nur die bekannten blau-weißen Stücke, sondern auch Porzellan in leuchtenden, bunten Farben – ein absolutes Novum für europäische Kunden, das in der höheren Gesellschaft schnell an Beliebtheit gewann. Arita, die japanische Hauptproduktionsstätte, stellte zwei dominierende Arten von Porzellandekoren her: Imari und Kakiemon. Ein herausragendes Beispiel für Letzteres ist ein Paar großer Gefäße (die Deckel fehlen), die im Kakiemon-Stil dekoriert sind (Abb. 1). In Europa finden sich Stücke wie diese heute fast ausschließlich in (ehemals) adeligen Sammlungen wie der British Royal Collection, der Porzellansammlung in Dresden, bei der es sich im Grunde genommen um die ehemalige Sammlung von August dem Starken (1670–1733) handelt, sowie der Sammlung in Schloss Charlottenburg in Berlin. Das edelste Kakiemon-Porzellan zeichnet sich durch einen milchweißen Scherben (nigoshide) mit Aufglasurfarben aus, wie eine oktogonale Schüssel mit einem Dekor aus den sogenannten »drei Freunden des Winters« (Kiefer, Bambus und Pflaume) in den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein (Abb. 2) belegt. Diese Art von Porzellan war kostspielig in der Herstellung, und jedes Stück musste in einer eigenen schützenden Brennkapsel auf feuerfestem Ton gebrannt werden. 2 Die English East India Company (EIC) und die niederländische Verenigde Oost- Indische Compagnie (VOC) wurden 1600 beziehungsweise 1602 gegründet. Bald wurden sie zu den beherrschenden europäischen, in Asien ansässigen Handelsmächten, die die Portugiesen und Spanier vertrieben, die ihre Stellung während des 16. Jahrhunderts gehalten hatten. 3 Die Insel Dejima wurde ursprünglich von den Japanern für die Portugiesen geschaffen, um dort Handel zu treiben und deren Aufenthalt auf dem Festland zu begrenzen. 1639 war der europäische Handel mit Japan jedoch einem allgemeinen Verbot unterworfen, mit der einzigen Ausnahme der niederländischen VOC, die bleiben durfte. Deren Angestellte waren auf Dejima stationiert und hatten nur wenig oder gar keinen Zugang zu Japan selbst. Abb. 2 Oktogonale Schüssel mit den »drei Freunden des Winters« Japan, Arita, Edo-Periode, um 1670/1690 Porzellan, Emailfarben LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna Inv.-Nr. PO 1880
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