91 Kakiemon-Porzellan scheint von privaten Händlern nach Europa verschifft worden zu sein, deren Geschäfte natürlich nicht in den offiziellen Dokumenten der Ostindien-Kompanien aufschienen. In der Folge gibt es keinen Beleg für die europäischen Häfen, an denen dieses Porzellan ankam. In dieser Periode hatten nur niederländische und chinesische Kaufleute die Befugnis, mit Japan Handel zu treiben. Man geht allerdings davon aus, dass Kakiemon in erster Linie von Letzteren verschifft wurde, da der Dekor eher dem Geschmack der Chinesen entsprach, die jedoch Teile ihres Bestands an englische Händler verkauften, weshalb London ein geeigneter Kandidat als Ankunftshafen für Kakiemon-Porzellan in Europa wäre. Tatsächlich finden sich in historischen britischen Sammlungen immer noch zahlreiche KakiemonStücke, während in den niederländischen Sammlungen kaum welche vorhanden sind.4 Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass im Lauf des frühen 18. Jahrhunderts eine ganze Menge Porzellan aus niederländischen Sammlungen an europäische Interessenten, vor allem in Frankreich und England, verkauft wurde, was ein weiterer Grund für das Fehlen von Kakiemon in den Niederlanden sein könnte. Während dieser Zeit erlitt die niederländische Wirtschaft einen Einbruch, was Familien möglicherweise veranlasste, Stücke aus ihren Sammlungen zu verkaufen, die natürlich sofort eifrig von ausländischen Käufern erworben wurden.5 Kehren wir nun zu den Gefäßen zurück, die auf dem Körper mit rechteckigen Feldern dekoriert sind und durch florale Elemente getrennt werden. Die Aussparungen zeigen zwei ostasiatisch aussehende Figuren, von denen eine, in einer felsigen Landschaft mit Pflanzen und Vögeln, einen Fächer, die andere einen Sonnenschirm hält. Die Symmetrie der beiden Figuren, die zu jeder Seite des Felsens stehen, die zentrale Position des Vogels und die Wiedergabe des Sonnenschirms sind untypisch für japanische Kunst, und der Dekor war möglicherweise von einer europäischen Vorlage inspiriert, wie etwa Delfter Keramik oder einer Zeichnung.6 Obwohl die Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein zahlreiche interessante Beispiele für japanisches Porzellan bewahren, werden wir uns zunächst einigen früheren und damit chinesischen Exemplaren asiatischen Porzellans widmen. FRÜHES ASIATISCHES PORZELLAN Die Anfänge der Liechtensteinischen Sammlung asiatischen Porzellans liegen höchstwahrscheinlich schon weit vor dem Ende des 17. Jahrhunderts, wie einige chinesische Stücke, die zwischen dem Ende des 16. und dem Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden sind, vermuten lassen. Ein bemerkenswertes Exemplar ist eine große Seladon-Vase mit zentralem Lotusrankendekor (Abb. 3). Vasen dieser Art entstanden in China ab dem 14. Jahrhundert und standen in Tempeln. Während Seladon in historischen europäischen Sammlungen selten ist, finden sich im Topkapı Palastmuseum in Istanbul, das die ehemalige Sammlung der osmanischen Sultane enthält, zahlreiche Beispiele. Stücke wie dieses kamen vermutlich auch über den Nahen Osten, wo chinesisches Seladon sehr begehrt war, nach Europa. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Vase eine Montierung hinzugefügt, für welche die ausgestellte Öffnung der Vase abgeschnitten wurde, damit der Deckel aufgesetzt werden konnte (es sei denn, die Öffnung wurde bereits vorher beschädigt oder abgebrochen). Ein weiteres frühes chinesisches Stück in den Fürstlichen Sammlungen ist ein Übertopf, der in die Wanli-Zeit (1573–1620) datiert wird, mit einer Montierung aus vergoldeter Bronze (Abb. 4). Ursprünglich handelte es sich dabei um einen Gartenhocker (zuodon), wie er in chinesischen Gärten und Innenräumen zum Einsatz kam. In Europa war diese ursprüngliche Funktion nicht bekannt, weshalb das Objekt wohl in zwei Hälften geschnitten, in einen Übertopf (womöglich auch zwei Übertöpfe) verwandelt und mit einer Ormoulu-Montierung versehen wurde. Es ist nicht bekannt, wie und wann die Vase und der Übertopf in die Sammlung gelangten. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass Fürst Karl I. von Liechtenstein (1569–1627), 4 Eine Ausnahme stellt Schloss Twickel in der Provinz Overijssel dar. 5 Fitski 2011, S. 44, 46. 6 Ebd., S. 22 f. Abb. 3 Große Vase mit Lotusranken China, Longquan (Porzellan)/Ignaz Joseph Würth, Wien (Montierung), Ming-Dynastie, 16. Jahrhundert, Montierung: um 1775/1785 Feinsteinzeug, Seladon; Bronze, vergoldet LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna Inv.-Nr. PO 1848
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