Leseprobe

10 Untersuchungen und Experimente. Der neugewonnene Wohlstand erlaubte auch eine Verfeinerung der Lebenskultur der gehobenen Stände. Durch ausgedehnte Handelsbeziehungen mit der Neuen Welt und Ostasien gelangten Luxuswaren und neuartige kulinarische Genüsse nach Europa und befeuerten eine Leidenschaft der gesellschaftlichen Eliten für das Exotische. Ein besonders begehrtes Produkt war Porzellan, zu dem es in Europa kein Äquivalent gab und das in seiner edlen Zartheit und materiellen Qualität als ein Inbegriff des hohen zivilisatorischen Niveaus Chinas aufgefasst wurde. Umso mehr unternahm man in Mitteleuropa fieberhaft Versuche, dem Geheimnis der Erzeugung dieses faszinierenden Werkstoffs auf die Spur zu kommen, bis 1708 in Dresden endlich die Nacherfindung des »weißen Goldes« gelang. So nimmt es nicht wunder, dass ein Entrepreneur wie Claudius Innocentius du Paquier, ermutigt von einer Zeit aufstrebenden Unternehmertums und ausdrücklich unterstützt vom Kaiserhaus, alles daransetzte, auch in Wien eine Produktion des kostbaren und begehrten Porzellans aufzuziehen. Von den alchemistischen Versuchen, den Handelswegen und dem Kulturtransfer, von der vielschichtigen Rolle der Diplomatie, von Industriespionage und genialem Erfindungsgeist, von Ambition und Gründerkultur, aber auch von den prachtvollen Festen erzählt diese Ausstellung, die sich ganz bewusst auf die Jahre 1718 bis 1744 konzentriert, in denen diese zweite Porzellanmanufaktur Europas unter der Leitung Du Paquiers produzierte, ehe sie von Maria Theresia aufgekauft und verstaatlicht wurde. Porzellan war das perfekte Material, um dem Lebensgefühl aristokratischen Lebens Ausdruck zu verleihen und dessen Streben nach subtiler Eleganz zu unterstreichen, denn zum einen versprach dessen Besitz Distinktionsgewinn, zum anderen verkörperte es eine zunehmende Kultivierung und Verfeinerung des täglichen Lebens. Gleichzeitig entsprach es in seinem Glanz, seiner Kostbarkeit, aber auch seiner Fragilität dem ästhetischen Empfinden der Epoche und konnte als ein Sinnbild der höfischen Gesellschaft verstanden werden, wie Samuel Wittwer in seinem Essay in diesem Band eindrucksvoll ausführt. Detail von Kat.-Nr. 133

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