Leseprobe

Religiöse Repräsentation als Mittel der Herrschaftsetablierung der Hohenzollern in der Mark Brandenburg zur Zeit Kurfürst Friedrichs II. Katrin Bourrée Die Magdeburger Schöppenchronik weiß für die Jahre 1412 und 1413 Wichtiges aus der Mark Brandenburg zu berichten:1 Eine Adelsopposition gegen den von König Sigismund eingesetzten Statthalter der Mark, Burggraf Friedrich VI. von Hohenzollern,2 habe sich gebildet, sie leiste erbitterten Widerstand gegen den neuen Herrn, verwüste die Städte und überfalle die Dörfer. Adelige Geschlechter wie die Quitzow und die Familie Gans zu Putlitz hätten sich selbstbewusst durch einen Eid verbunden, die Huldigung verweigert und – wie der märkische Chronist Engelbert Wusterwitz ausdrücklich bemerkt – über Friedrich VI. »verechtlich gesprochen: Es ist ein tand von Nürenberg«.3 Die oppositionellen Adelsfamilien waren überzeugt, dass die Aufgaben der Landesherrschaft von ihnen besser als von dem fremden Statthalter zu bewältigen wären. In mühsamen Kämpfen zwischen 1412 und 1415 erreichte Friedrich I. aus dem Hause Zollern (* um 1371, reg. 1415–1440) zunächst eine Niederschlagung der Adelsopposition und konnte zumindest in weiten Teilen des Territoriums eine vorläufige Anerkennung seiner Statthalterschaft durchsetzen.4 Doch auch mit der Übertragung der märkischen Kur auf dem Konstanzer Konzil am 30. April 1415 endeten die Auseinandersetzungen mit Teilen des Adels für den Hohenzoller nicht, immer wieder kam es in den folgenden Jahren zu einem Aufflammen widerständiger Bestrebungen einzelner Adelsfamilien oder adeliger Zusammenschlüsse.5 Zugleich war das Ansehen als Reichsfürst bei den anderen Großen und damit der erst kürzlich erhöhte Rang bedroht. Der einflussreiche Wittelsbacher Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt versuchte in einer wahren Propagandaschlacht das Reich, den König und die Bewohner der Mark Brandenburg gegen den neu in das Kurkolleg Aufgenommenen einzunehmen, und das nur wenige Jahre nach der Übertragung des Kurfürstentitels.6 Friedrich I., »der sich nennet Margraue zu Brandenburg«, so Herzog Ludwig in einem an den Markgrafen gerichteten Brief vom 12. Mai 1420, der in Abschriften zudem an König Sigismund, verschiedene Städte und Fürsten des Reiches gerichtet war, sei ein »newlich hochgemachter, unendlicher, lugenhaftiger Edelman, trewloser Burggraf von Nüremberg«.7 Sein Mangel an Geburtsadel zeige sich in vielen Facetten seines Charakters und in unerhörten Taten, die sich nicht nur gegen Herzog Ludwig oder die eigenen Untertanen richteten, sondern auch gegen den König und das Reich. In seinen Schmähbriefen zeichnete Ludwig von Bayern-Ingolstadt das immer weiter ausgeschmückte Bild des korrupten, illoyalen und boshaften Aufsteigers. Die Konsequenzen aus der in seinen Augen unrechtmäßigen Rangerhöhung durch den König, die den Mangel an geburtsmäßiger Eignung nicht wettmachen könne, spitzte der Herzog schließlich in der rhetorischen Frage zu: »und ob du die brief verlurest, wie gut warest du dann?«8 Durch verschiedene rhetorische Kniffe stellte der Wittelsbacher sehr geschickt der Negativfigur des Parvenüs das Bild der eigenen Person gegenüber, das Bild eines ehrenhaften, dem König gehorsamen Fürsten9 und Angehörigen eines frommen, alten Geschlechts.10 Die Gründe für die vierjährige spektakuläre Briefkampagne des bayerischen Herzogs waren durchaus vielfältig, sie reichten von konkreten materiellen Interessen Ludwigs bis zu einem allgemeinen Gefühl der Benachteiligung der Dynastie, bedingt durch den Ausschluss der Wittelsbacher von der Kurwürde. Für den Konflikt mit den Hohenzollern waren die Gründe zunächst zweitrangig, entscheidender war, dass hier eine Argumentationsfigur erstmalig in Erscheinung trat, die auch in der Folgezeit immer wieder von Gegnern der Dynastie bemüht und in politischen Auseinandersetzungen regelrecht als Waffe gegen die Hohenzollern eingesetzt wurde.11

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