Leseprobe

Religiöse Repräsentation als Mittel der Herrschaftsetablierung der Hohenzollern in der Mark Brandenburg zur Zeit Kurfürst Friedrichs II. 107 I Die Herrschaft der Hohenzollern in der Mark Brandenburg erwies sich bereits kurze Zeit nach der Erbhuldigung der Stände für Friedrich I. als anhaltend problematisch: In der kurzen Regentschaft seines Sohnes, Johanns des Alchimisten, flammten die oppositionellen Bestrebungen des Adels erneut auf, vor allem waren es aber die märkischen Städte, welche sich nun dem Landesherrn widersetzen.12 Auch nachdem der Kurfürst die Statthalterschaft von Johann auf den jüngeren Friedrich II. übertragen hatte, waren die adeligen, aber vor allem die städtischen Abwehrbemühungen ungebrochen. Mit Friedrichs II. Erscheinen in der Mark 1437 kam es umgehend zu Versuchen, ein Abwehrbündnis aller mittel- und altmärkischer Städte gegen die Herrschaft des neuen Statthalters zu etablieren.13 Spätestens seit seinem landesherrlichen Eingreifen in die städtischen Auseinandersetzungen der Doppelstadt Berlin-Cölln 1442 und der völligen Aufhebung ihrer städtischen Autonomie stand Friedrich II. im Ruf, ein Feind der Städte zu sein.14 Für die Hohenzollern begannen nun die eigentlichen Anstrengungen in der neuen Landesherrschaft, denn auch für sie galt, dass »solange das System der Mechanismen, die durch ihren Selbstlauf die Reproduktion der herkömmlichen Ordnung gewährleisten, noch nicht entstanden ist, reicht es für die Herrschenden nicht aus, das von ihnen beherrschte System laufen zu lassen, um ihre Herrschaft auf Dauer auszuüben; sie müssen täglich und persönlich daran arbeiten, die stets unsichere Herrschaftslage zu produzieren und zu reproduzieren. [. . .] sie können sich die Arbeit, die Güter, die Ehrerweise, die Achtung der anderen nicht aneignen, ohne diese für sich persönlich zu ›gewinnen‹, ohne sie an sich zu binden, kurz, nicht ohne ein persönliches Band von Mensch zu Mensch zu knüpfen.«15 Neben der Notwendigkeit, diese »Grundformen der Herrschaft«16 in der Mark Brandenburg auszuüben, erforderte ihre Position als spätmittelalterliche Reichsfürsten zudem doppelte Arbeit, da sie zusätzlich auf die Anerkennung der Mitfürsten im Reich angewiesen waren. Wie Dieter Mertens für Graf Eberhard den Älteren von Württemberg am Ende des 15. Jahrhunderts festgestellt hat, war es vor allem wichtig, dass »bei einer Fürstenerhebung die neuen, die fürstlichen Standesgenossen den neuen Herzog akzeptieren und ihm in ihren Reihen einen genau definierten Platz einräumen«,17 und so waren »die neuen Standesgenossen [. . .], im Unterschied zu den ehemaligen, sehr wohl daran interessiert, die den bisherigen Stand übersteigende Vornehmheit, ja fast die Ebenbürtigkeit des Gefürsteten festzustellen. Sie waren deswegen die eigentlichen Adressaten der Hinweise für das fürstenmäßige Herkommen«18 der Dynastie. Dieses Interesse der neuen Standesgenossen kann mit einer allgemeinen Tendenz sozialer Gruppen erklärt werden, die bei elitären Zusammenschlüssen19 besonders ausgeprägt ist. Denn soziale Institutionen, die eine symbolische Wirklichkeit schaffen, wie dies beispielsweise bei der Konstruktion von »Adel« der Fall ist, tragen den »Zauber des Geweihten«20 in sich, der durch gegenseitiges Kennen und Anerkennen geschaffen wird. »Mit der gegenseitigen Anerkennung und der damit implizierten Anerkennung der Gruppenzugehörigkeit wird so die Gruppe reproduziert; gleichzeitig werden ihre Grenzen bestätigt, d. h. die Grenzen, jenseits derer die für die Gruppe konstitutiven Austauschbeziehungen (Handel, Kommensalität, Heirat) nicht stattfinden können. Jedes Gruppenmitglied wird so zum Wächter über die Gruppengrenzen: Jeder Neuzugang zur Gruppe kann die Definition der Zugangskriterien in Gefahr bringen, denn jede Form der Mésalliance kann die Gruppe verändern, indem sie die Grenzen des als legitim geltenden Austausches verändert. [. . .] denn mit der Einführung neuer Mitglieder in eine Familie, einen Clan oder einen Club wird die Definition der ganzen Gruppe mit ihren Grenzen und ihrer Identität aufs Spiel gesetzt und von Neudefinitionen, Veränderungen und Verfälschungen bedroht.«21 Durch diese Form der Gruppenbildung wird wiederum ständische Qualität erzeugt, wobei beim Adel vor allem das Kriterium der Herkunft entscheidend für die Zugehörigkeit war und ist.22 Da jede Form von Gruppenbildung eine spezifische Form von Kultur bedeutet mit wechselseitigen Verschränkungen von Normen und Vorstellungen über die Welt oder die Gesellschaft,23 gilt dies auch für den spätmittelalterlichen Adel. Dies verlangte Aufsteigern enorme soziale »Anerkennungsarbeit« ab, bedenkt man die strengen normativen Ordnungsvorstellungen,24 die dieser Epoche insgesamt, aber besonders dem Stand des Adels eigen waren. Trotzdem muss generell festgehalten werden, dass die soziale Ordnung in Mittelalter und Früher Neuzeit weder statisch war noch sich zwangsläufig aus vermeintlich objektiven Kriterien wie dem rechtlichen Status oder dem Vermögen ableitete. Der gesellschaftliche Rang musste immer wieder in der sozialen Praxis hergestellt und verteidigt werden, wobei der Bewertung der Geltungsansprüche durch die Zeitgenossen eine herausragende Bedeutung für deren Durchsetzung zukam.25 Das Diktum Thomas Hobbes’, »im Ruf von Macht stehen, ist Macht«,26 bringt die Bedeu-

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