Religiöse Repräsentation als Mittel der Herrschaftsetablierung der Hohenzollern in der Mark Brandenburg zur Zeit Kurfürst Friedrichs II. 109 I päpstlichen Privilegienpakete, die Friedrich II. von Papst Eugen IV. und seinem Nachfolger, Nikolaus V., für die Obedienzleistung nach der Aufgabe der kurfürstlichen Neutralität seit 1447 erhalten hatte. In 25 Briefen und Bullen kam die Kurie den Wünschen der hohenzollernschen Dynastie enorm entgegen.34 Hiermit bewegte sich der Markgraf allgemein im Trend der Zeit, lassen sich doch im 15. Jahrhundert bei den meisten Reichsfürsten Bemühungen feststellen, gestützt auf päpstliche Privilegierung größeren Einfluss auf die geistlichen Institutionen ihrer Territorien zu erhalten. Die Rechte und Privilegien, die Friedrich II. von der Kurie erwirken konnte, reichten von der Freiheit bei der Wahl eines Beichtvaters bis zur Erlaubnis, in die kirchliche Gerichtsbarkeit einzugreifen. Die verschiedenen gezielten Bestimmungen und Akte, die häufig ineinandergriffen, bedeuteten zum einen eine deutliche Stärkung der Landesherrschaft des neuen Markgrafen durch eine aktiv gesteuerte Kirchenpolitik. Dies wird beispielsweise bei dem auf Lebenszeit zugesprochenen Recht deutlich, bei zukünftigen Vakanzen die Bischöfe von Havelberg, Brandenburg und Lebus zu nominieren.35 Zum anderen erfüllten die Privilegien und Maßnahmen des Markgrafen aber auch immer repräsentative Funktionen. Das zeigt sich nicht nur bei offensichtlich auf den Rang der Familie abgestellten Begünstigungen wie zum Beispiel den Dispensen von bestimmten Fastenvorschriften oder der Erlaubnis, einen Tragealtar zu nutzen.36 Durch die Förderung der Bettelorden in der Mark Brandenburg, aber auch durch die Forderung nach strenger Observanz37 demonstrierte Friedrich II. ferner seine fromme und reformorientierte Gesinnung. Außerdem kam er gleichzeitig seinen Herrscherpflichten nach, indem er die seelsorgerische Betreuung der Einwohner seines Territoriums gewährleistete. Von der Forschung sind Friedrichs Bemühungen um die religiösen Belange in seinem Territorium und insbesondere auch die Akte seiner »persönlichen« Frömmigkeit häufig als selbstverständlicher Ausdruck und fast schon zwangsläufiges Ergebnis seines »mystisch-schwärmerischen Charakters«38 oder seines »melancholischen Wesens«39 gedeutet worden. Sie galten als Beleg für den vermeintlich extremen Gegensatz zwischen Friedrich II. als einem frommen Landesfürsten und seinem Vater Friedrich I. bzw. seinem Bruder Albrecht Achilles, die häufig fast als Personifikationen des repräsentations- und ehrbewussten Reichsfürsten dargestellt wurden. Diese auch in der neueren Forschung durchaus noch vertretende Sichtweise40 erschwert durch den charakterlichen Rückbezug jedoch die Möglichkeit, politische Handlungen in ihrer Eigenlogik und Funktionalität zu analysieren. Die völlige Trennung der rein »persönlichen« Frömmigkeit eines Fürsten von den »politisch« genutzten Ausdrucksformen erscheint für die Zeit der Vormoderne anachronistisch und kann dazu führen, bestimmte Herrschaftsstrategien zu verkennen, wenn diese lediglich als Ausdruck purer Frömmigkeit identifiziert werden. Im Folgenden soll ein Akt der religiösen Repräsentation des neuen brandenburgischen Kurfürsten näher betrachtet werden, durch den Friedrich seine Herrschaft in der Mark Brandenburg festigte und gleichzeitig den Ruhm seiner Dynastie sowie den eigenen Ruf als Kur- und Reichsfürst förderte. Die Gründung der Gesellschaft Unserer Lieben Frau wird zumeist vor allem unter dem Aspekt einer »persönlichen« Frömmigkeit und als Ausdruck der tiefen Gläubigkeit des Gründers41 betrachtet, an ihr kann aber die Multifunktionalität der religiösen Repräsentation Friedrich II. deutlich werden, die bereits vor der päpstlichen Privilegierung einsetzte und danach auf der Grundlage der guten Beziehung zur Kurie zu einem regelrechten System ausgebaut werden konnte. Weitere Beispiele – wie das öffentliche Glaubensbekenntnis Friedrichs II. im Brandenburger Dom,42 seine Pilgerreise nach Jerusalem,43 die Heimführung der Goldenen Rose des Papstes44 oder der Ausbau der Schlosskapelle in Berlin zum »Domstift«45 – wären ebenfalls zu nennen, sollen hier aber nicht behandelt werden.46 Nur neun Tage nach dem Tod des Vaters und noch bevor er im Oktober die Huldigung der Stände entgegennahm,47 stiftete Friedrich II. am 29. September 1440 eine »selschapp unser liven frowen« mit Sitz an der Marienkirche auf dem Harlunger Berg bei Brandenburg.48 Die Ordensgründung wurde von der Forschung als »programmatischer Akt«49 des Markgrafen verstanden. Als »mythisch angehauchte und der Marienverwehrung und Armenfürsorge verschriebene Gebetsbruderschaft« klassifiziert, wurde die Gesellschaft jedoch »weniger als politisches Instrument«50 bewertet und damit selten den Mitteln der Herrschaftsetablierung zugeordnet. Lediglich die mögliche Intention des Markgrafen, zwischen den Ordensmitgliedern und den Angehörigen seines Hofes eine Verbindung herzustellen, wurde verschiedentlich als weiteres Motiv der Gründung in Betracht gezogen.51 Diese Sichtweise gilt es im Folgenden kritischer zu hinterfragen.
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