Leseprobe

Hochadelige Repräsentation in Böhmen und Schlesien 217 I den Lebenden sprachen und sie an die Vergänglichkeit alles Irdischen mahnten (vgl. Abb. 2 im Aufsatz Dienstbier). Jacek Witkowski bezog die Szene daher auf die im Fenstererker der Südwand einige Meter weiter westlich dargestellten biblischen Personen und Heilige.6 Aber auch das folgende, hochrechteckige Feld mit der Darstellung des hl. Christophorus, setzt die Memento-mori-Thematik fort. Es war jedem sichtbar, der sich auf einer früheren Treppe in den »Versammlungsraum« des früher dreigeteilten 2. Obergeschoßes begab.7 Allerdings gibt Przemysław Nocuń an, dass diese Treppe erst nach einem Brand im Rahmen des Umbaus von 1532 errichtet und 1577 verändert worden sei.8 Somit ist nicht sicher, dass von Beginn an der hl. Christophorus im Blickfeld der Herauf- und Hereinkommenden gestanden hat. Allerdings ist dies auch unerheblich, denn allein durch die pure Größe entspricht die Darstellung dem weit verbreiteten Brauch, den Christusträger, der nach dem mächtigsten Herrscher der Welt suchte, herauszuheben, um ihn allen unmittelbar sichtbar werden zu lassen. Christophorus war bekanntlich der Schutzheilige vor unversehenem, das heißt vor plötzlichem, nicht mit der Reichung der Sterbesakramente verbundenem Tod – und in zahllosen Kirchen und Kapellen wurde er daher in überdimensionalen, die normale Bilderzählung fast immer sprengenden, hochrechteckigen und eigens gerahmten Feldern verbildlicht. Nach rechts folgt dann eine in zwei Register eingeteilte Bilderzählung, die die wiederum mit einem eigenen, sakralen Bildprogramm ausgestattete Fensternische überspringt, wobei letztere durch einen ornamentierten breiten Rahmen eingefasst und herausgehoben ist. Auf der Westwand wäre dann vielleicht ein einzelnes, eigens gerahmtes und annähernd quadratisches Bildfeld gefolgt, denn die als Unterzeichnung angelegten Figuren beziehen sich aufeinander – zwei der unteren Reiter deuten auf die Szene darüber (vgl. Abb. 3 im Aufsatz Dienstbier). Keinesfalls hätte man die Rahmungen der beiden Register der Südwand hier ohne deutlichen Versprung weiterführen können.9 An der Nordwand finden sich jüngere Malereifragmente, eher Kritzeleien, nebst den Wappen späterer Besitzer aus der Familie von Redern in der dortigen Fensternische. Hier und an der östlich anschließenden Wand haben sich keine weiteren Fragmente oder Vorzeichnungen erhalten. Es lässt sich also auch nicht sagen, ob hier je ein malerisches Programm vorgesehen war, zumal eine Zwischenwand, die die Bohlenstube in der Südostecke des Turms abschloss, entfernt wurde.10 Alles deutet auf eine Unterbrechung der ursprünglichen Intention und spätere unsystematische Ergänzungen. Die Gründe dafür können banal und vielfältig sein – jedes Spekulieren hierüber verbietet sich.11 Zumindest so lange, wie nicht eine wirklich plausible Deutung der erzählenden Abschnitte der Malerei gefunden werden konnte. Rita Probst blieb bei der Deutung der Bilder vorsichtig, legte sich am Ende ihrer sorgsamen Bildbeschreibung nicht fest. Eine ikonografische Deutung ist nicht das Ziel dieses Beitrags, ebenso wenig eine eingehende Besprechung der Dissertation von Rita Probst, obwohl eine künftige Diskussion (und Würdigung) der Leistungen dieser Wissenschaftlerin, der eine weitere Berufslaufbahn wohl verschlossen blieb, wünschenswert ist. Allein die Reflexion über die Arbeit einer Kunsthistorikerin in einem historisch-politisch überaus schwierigen Umfeld12 zu vertiefen wäre wichtig zu würdigen, aber auch Probsts Ansätze, da sie methodisch nicht einseitig waren, sondern der Tatsache Rechnung trugen, dass Darstellungen nicht in einem rein formalistischen Sinne beschrieben werden können. Vielmehr verfolgte die Autorin eine »psychologisierende« Methode, die sie enge Verbindungen zwischen der von ihr präferierten Auftraggeberin und den Malereien konstruieren ließ. Leider führte dies dazu, dass die von Probst so sorgsam erarbeiteten Aspekte, von ikonografischen Überlegungen über die Realienkunde bis hin zur Stilkritik, letztlich doch einem Leitgedanken untergeordnet wurden, der eine Spätdatierung in die Mitte des 14. Jahrhunderts erzwang – und zwar gegen alle Bedenken, die die Autorin selbst formulierte.13 Gegenpart zu Probst ist Jacek Witkowski, der wiederum so sehr von seiner Deutungshypothese, die Malereien stellten den Themenkreis um den Artusritter Lanzelot dar, überzeugt war, dass er ihr alles, auch die »unscharfen« Befunde wie die unvollendeten oder nur skizzierten Bereiche, ein- und unterordnete.14 Dabei gibt es – neben den von Jan Dienstbier in diesem Band zusammengestellten ikonografischen Argumenten – einige Grundannahmen, die zumindest Zweifel auslösen. Dazu gehört die, dass der Zyklus gleichsam von unten nach oben erzählt werde, dass also das untere Register der Helden-Erzählung vor dem oberen abzulesen sei. Dies ist angesichts zahlloser Wandmalereizyklen, die anders verfahren, die bei weitem unwahrscheinlichere Hypothese, und der Vergleich mit den späteren Heiligenzyklen der beiden böh-

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