Hochadelige Repräsentation in Böhmen und Schlesien 219 I weil sich an einem anderen Ort, in einer anderen Region weltliche Wandmalereien einer ähnlichen Stilschicht erhalten haben, aus solchen grundsätzlich zeitstilistisch verwandten Zügen sogleich eine direkte Beziehung zwischen Künstlern und/oder Auftraggebern abzuleiten. Und was die Datierung betrifft, so ist zunächst nur maßgeblich, dass die Ausmalung nach 1315/16 geschaffen worden sein muss. Es ist dabei keineswegs unplausibel, dass sie recht kurz nach der Fertigstellung begonnen wurde, während bisherige Datierungsversuche stets davon ausgingen, dass sie Jahrzehnte später anzusetzen seien. Zur kunstgeschichtlichen Einordnung der Wandmalereien Wie bereits angedeutet, sind die erhaltenen Szenen der Südwand von recht breiten Rahmenbändern eingefasst. Die Figuren, Architekturen oder Bäume füllen die Bildflächen oft vollständig, ja sie überschneiden diese Rahmenbänder. So stellt der Künstler einen starken Flächenbezug her, die genannten Elemente werden in die Fläche eingebunden, treten zugleich aber auch vor den Rahmen. Es sind keine Elemente auszumachen, die ein besonderes plastisches Eigenleben erhalten, auch wenn zum Beispiel in der Szene mit der sitzenden Königin und ihrem Hof die Gewänder in einer typisch »gotischen« Weise schon in der Linienführung plastisch angelegt sind – man betrachte den um die Schulter der Königin gelegten Mantel, der dann über die Knie fällt usf. Bei den sich ihr von rechts nähernden Personen überspielen die breiten Bänder der Gewänder in ihrer kontrastierenden Farbgebung, die die Zusammengehörigkeit der Gruppe in einer an die Heraldik erinnernden Weise betont, die Plastizität. Ähnliches ist bei den Figuren links vom hl. Christophorus zu beobachten. Hier dominiert die rhythmisch-flächige Auffassung. Die Szenenfolgen erhalten so etwas Teppichhaftes, zumal Lücken, die entstehen könnten, zum Beispiel hinter dem das reiterlose Pferd Heranführenden links im unteren Register, durch Bäume geschlossen werden (vgl. Abb. 6 im Aufsatz Dienstbier). Vertikale Szenentrennungen und Rahmen sind vermieden, um den Handlungsablauf nicht allzu sehr zu unterbrechen. Als Szenentrenner treten Elemente der Bilderzählung selbst auf: So wird ein Turm bei der sitzenden Königin links im oberen Register zum Szenen-Scharnier; unten schirmen Bäume die Szene des unter dem Baum Schlafenden ab (Abb. 7 im Aufsatz Dienstbier). Deutlich wird diese kunstvolle Flächenorganisation auch bei der kleinen Szene rechts der Fensternische – in der ein blonder Jüngling vor einem gerüsteten Ritter kniet, mit den Händen die Linke des letzteren umfassend. Der Gerüstete neigt sein Haupt dem Knienden zu und spricht zu ihm, was die erhobene Rechte andeutet, was zugleich die Aufnahme in ein Lehensverhältnis bedeutet (Abb. 1). Die Figuren sind ringsum knapp in den Rahmen gepackt, den sie überschneiden. Eine räumliche Andeutung entsteht nur aus einer gewissen Plastizität der Figuren, die auf einem Erdhügel platziert sind. Hinter dem Knienden schließen zwei Bäume den schmalen Handlungsraum ab, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass auch sie den Binnenrahmen überschneiden. Dieses künstlerische Prinzip, dass man als Bindung der Figuren an den durch die Rahmen als Fläche definierten Hintergrund bezeichnen kann, folgt einer TraAbb. 2 Heinrich von Veldeke, Eneit, »Ritter« und Kampf von Turnus und Pallas. Berlin, Staatliche Museen von Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Staatsbibliothek, Ms. germ. Fol. 282, fol. 50r (Ex: Dinzelbacher 2003, 150)
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