Oberkammerdiener 319 I Die Korrespondenz des Herzogs von Mantua, Vincenzo I. Gonzaga, mit seinen Botschaftern am Prager Kaiserhof enthüllt verschiedene Verhaltens-, Handlungs- und Repräsentationsstrategien, die Philipp Lang von Langenfels wählte, um seinen Einfluss auf Rudolf II. zu demonstrieren und seine gesellschaftliche Stellung zu bestätigen.34 Philipp Lang stilisierte sich zu einer Persönlichkeit von großem Einfluss und Reichtum, die trotz nichtadeliger Herkunft in kurzer Zeit einen rasanten gesellschaftlichen Aufstieg erreicht hatte. Mit dem außerordentlichen Einfluss Philipp Langs mussten Adelige aus ganz Europa rechnen, wenn sie um eine Audienz beim Kaiser ersuchten. Dies erweisen zum Beispiel seine Treffen im Prager Haus Christophs Popel des Jüngeren von Lobkowitz in den Jahren von 1603 bis 1604, wo die Hofkünstler und Adeligen aus dem Königreich Böhmen und aus einer Reihe europäischer Länder ungeachtet der Konfession zusammentrafen. In den knappen Tagebucheintragungen kann man nicht übersehen, dass Lang nicht mit leeren Händen zu Besuch kam. Als er dem Gastgeber die Briefe Rudolfs II. und der obersten Hofbeamten übergeben hatte, erwartete er seine Fürsprache in gerichtlichen und anderen Angelegenheiten vornehmer Personen, mit denen er vertraute Beziehungen pflegte. Als Gegenleistung versprach er dann die Vermittlung einer Audienz beim Kaiser.35 Die mantuanischen Botschafter Aderbale Manerbio und Lelio Arrivabene wandten sich an den Oberkammerdiener mit Gesuchen um die Überbringung vertraulicher Nachrichten an den Kaiser und um die Vermittlung einer Audienz.36 Die Botschafter trugen ihre Ansuchen Philipp Lang bei persönlichen Treffen vor, die in nicht näher bestimmten Räumen der Prager Burg oder im Haus des Oberkammerdieners stattfanden.37 Nach der Zusammenkunft äußerte sich der Botschafter von Mantua über Philipp Lang dahingehend, dass dieser »nach der neuesten höfischen Mode lebt und handelt«.38 Diese Aussage von Aderbale Manerbio ist leicht zu erklären, denn Philipp Lang verlangte für die Überreichung der Nachrichten an den Kaiser oder für die Vermittlung der Audienz wertvolle Geschenke – eine Vase aus Steingut, ein mit Elfenbein ausgelegtes Kästchen, goldenen Schmuck und Gemälde ausgewählter berühmter italienischer Meister, wobei die Konkretisierung seiner Ansprüche im Hinblick auf die künstlerische Qualität der erwarteten Geschenke Philipp Lang keine größeren Schwierigkeiten bereitete.39 Der Oberkammerdiener pflegte mit einer Reihe von Künstlern, deren Werke er in die kaiserlichen Sammlungen aufnahm, rege persönliche Kontakte.40 Wenn er Rudolf II. die Kunstgegenstände übergab, die im Auftrag des Kaisers entstanden waren, nahm er die Schönheit der einzelnen Stücke bewusst wahr.41 Die Worte Rudolfs II., die Philipp Lang aus dessen Munde hörte, wenn der Kaiser die neu erworbenen Kunstwerke betrachtete, behielt er nicht für sich. Der Oberkammerdiener ließ sich nicht lange bitten, den neugierigen Künstlern und Vermittlern von künstlerischen Aufträgen mitzuteilen, mit welchen Aussagen der Kaiser die Qualität der Neuzugänge beurteilte. In der Regel sprach er eine Bedingung aus. Philipp Lang drängte die Künstler und Kunstagenten für die kaiserlichen Sammlungen, ihm als Gegenleistung für die Übermitteilung der Meinung des Kaisers ähnliche Stücke für seinen eigenen Bedarf bereitzustellen. Philipp Lang wollte seinen Haushalt mit den gleichen Kunstgegenständen hoher Qualität schmücken, die er in den Sammlungen des Kaisers sah. Die Schönheit der Kunstgegenstände in den öffentlich zugänglichen Räumen seines Haushalts demonstrierte den gesellschaftlichen Aufstieg Philipp Langs und seine engen Verbindungen zum Kaiser. Es ist nicht auszuschließen, dass der Oberkammerdiener in seinem Haus eine ähnliche Auswahl an Objekten aus der Hand berühmter Künstlern besaß, wie er sie aus den kaiserlichen Sammlungen kannte.42 Aderbale Manerbio teilte Vincenzo I. Gonzaga sofort nach der Zusammenkunft die Vorstellungen Philipp Langs über die künstlerische Ausführung des Geschenks mit. Der Herzog von Mantua bestellte die verlangten Stücke bei seinen Hofkünstlern. Da deren Herstellung in den Augen Philipp Langs jedoch offenbar zu lange auf sich warten ließ, verhielt er sich den Botschaftern von Mantua gegenüber sehr nachlässig und achtlos. Der ungeduldige Botschafter berichtete in seinen Briefen nach Mantua über das »unersättliche Vögelchen«, das nach einem immer »größeren Bissen« verlange.43 Zugleich änderte er die Strategie seines Verhaltens dem Oberkammerdiener gegenüber. Der ratlose Aderbale Manerbio versuchte Philipp Lang über die Vermittlung weiterer Personen zu beeinflussen, denen er Geschenke des Herzogs von Mantua übergab. Sobald der Oberkammerdiener bemerkte, dass die Botschafter von Mantua den Kontakt zu einflussreichen Adeligen in seiner sozialen Umgebung suchten, die ebenfalls die Audienz beim Kaiser vermitteln könnten, änderte er rasch die Strategien seines Verhaltens und Handelns. Lang
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