I 320 Kulturelle Integrationsstrategien von Außenseitern und Aufsteigern in Mitteleuropa vom 14. bis 18. Jahrhundert scheute sich nicht, üble Nachreden über seine Konkurrenten bei Hofe zu verbreiten. Noch dazu deutete er an, dass er sich auch mit weniger aufwendigen Geschenken des Herzogs von Mantua zufrieden stellen würde. Kurz danach bewirtete Lang in seinem Haus alle Personen, die er kurz zuvor den Botschaftern von Mantua gegenüber verleumdet hatte. Der Obersthofmeister Christoph Popel der Jüngere von Lobkowitz, der Geheime Rat Karl von Liechtenstein und Anna Marie von Pernstein de Mendoza waren nämlich sehr gut mit dem Handel mit jenen prunkvollen Kunstobjekten, nach denen sich der Oberkammerdiener sehnte, vertraut.44 Aderbale Manerbio entdeckte bei Philipp Lang eine Schwachstelle, die er lange verborgen hatte. Lang empörte sich nämlich schon Ende 1602 bei einem Mittagessen mit dem mantuanischen Botschafter darüber, dass seine Konkurrenten am Hofe von Vincenzo I. Gonzaga wertvolle, mit Elfenbein ausgelegte Kästchen erhalten hatten, die er für sich ebenfalls verlangte. Der Botschafter von Mantua erklärte dem Kammerdiener schroff, dass der Herzog derart prunkvolle Geschenke nur »gleichgestellten« Personen zukommen lasse.45 Aderbale Manerbio sprach damit die nichtadelige Herkunft Philipp Langs an, die ein Hindernis zur vollständigen Anerkennung seines gesellschaftlichen Aufstiegs in den Augen der höfischen Gesellschaft darstellte. In der pompösen Selbstpräsentation Langs wurde die mangelnde vornehme Herkunft durch Besitz und außerordentlichen Einfluss bei den Hintergrundgesprächen am Kaiserhofe ersetzt. Der Oberkammerdiener wurde erst im Frühling 1606 in den niederen Adelsstand im Königreich Böhmen aufgenommen, und zwar dank der persönlichen Fürsprache des Kaisers und einer Reihe von einflussreichen Adeligen, die mehrmals Gäste in seinem Prager Haus waren.46 Als der Mantuaner Botschafter Aderbale Manerbio Ende des Sommers 1603 das Prager Haus Philipp Langs besuchte, berichtete er sofort nach Mantua von dem sagenhaften Reichtum, den er dort angetroffen hatte und der sich in den Sammlungen von Gegenständen aus Edelmetallen, Truhen voll von unterschiedlichen Münzen und alchemistischen Geräten sowie in Stallungen voller Pferde aus edlen europäischen Zuchten manifestierte.47 Der toskanische Botschafter Roderigo Alidosi schätzte vier Jahre später die Höhe des Lang’schen Vermögens sogar auf 600000 Gulden. Der Oberkammerdiener konnte allerdings einen derartigen Reichtum nicht allein durch seine Besoldung erworben haben – Philipp Lang von Langenfels bekam jeden Monat 20 Gulden, und er diente dem Kaiser fünf Jahre lang als Oberkammerdiener.48 Der spanische Botschafter Guillén de San Clemente bot zu Beginn des Jahres 1606 in seinem Brief an den Sekretär des spanischen Staatsrates Andrés Prado ein treffendes Bild des Oberkammerdieners, wie es sich den Augen der ausländischen Botschafter am Hofe Rudolfs II. bot: »Jedenfalls ist es nötig Philipp Lang zu gewinnen. Falls es schwer fallen würde, ihn als Freund auf offenem Wege zu gewinnen, können wir ihn indirekt beeinflussen. So können wir wenigstens sicherstellen, dass er uns nicht schaden wird.«49 Guillén de San Clemente suchte erst nach Instrumenten zur Beeinflussung Philipp Langs zugunsten der Interessen des Königs von Spanien. Aderbale Manerbio hatte bereits nach einigen Zusammenkünften bemerkt, dass Lang sich leidenschaftlich für Alchemie interessierte.50 Geschenke in Form von Mineraliensammlungen, Destilliergeräten und Schriften der Alchemisten stellten ein probates Vehikel dar, das die Botschafter von Mantua nutzten, um den Oberkammerdiener von der Dringlichkeit der Vermittlung einer Audienz beim Kaiser zu überzeugen.51 Davon dass sie auf die richtige Karte gesetzt hatten, konnten sie sich bald überzeugen, denn Lang übergab schließlich den Botschaftern von Mantua persönliche Briefe des Kaisers, die nur für die Augen Vincenzo I. Gonzagas bestimmt waren.52 An solche Verhaltensweisen war der Oberkammerdiener schon länger gewöhnt. Da er einen direkten Zugang zum Kaiser hatte, ging durch seine Hände wahrscheinlich die gesamte nur für Rudolf II. bestimmte Korrespondenz, die ihm durch ihre persönlichen Boten und Berichterstatter die Herrscher aus den Territorien im römisch-deutschen Reich, auf der Apenninen- und Pyrenäenhalbinsel sowie in anderen Gebieten Europas schickten.53 Durch Philipp Lang Vermittlung verbreiteten sich im Herbst 1604 zwischen Prag und Mantua Berichte über alchemistische Experimente in den Laboren Vincenzo I. Gonzagas, bei denen es zur Verwandlung gewöhnlicher Metalle in Silber gekommen sein sollte. Gleichzeitig war der Oberkammerdiener auch dem Herzog von Mantua von Nutzen, da er ihm durch seine Gesandten am Kaiserhof Informationen über alchemistische Bücher vermittelte, die in der Bibliothek Rudolfs II. vertreten waren.54 Von der Ausgeprägtheit des Interesses Philipp Langs an Medizin, Heilkunde und Alchemie zeugen auch seine engen Beziehungen zu den kaiserlichen Leibärzten am
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