Die Erben des Aufsteigers 383 I in dem auch ausführlich über eine Abstammung seiner Mutter aus dem italienischen Grafenhaus Collalto und St. Salvador, sowie – nur knapp – seines Vaters aus fränkischem Ritteradel berichtet wird. Möglicherweise sollte dadurch vor allem der eklatante Rangunterschied zwischen dem ursprünglich bürgerlichen Kaspar Schlick und seiner Gattin Herzogin Agnes von Oels etwas verringert werden.16 Darüber hinaus war das Freiherrendiplom eine wichtige Grundlage seiner später (1442, datiert auf 1437) durch wahrscheinliche Fälschung erlangten Grafenerhebung, mit dem sein imaginierter Sprung in der ständischen Rangfolge etwas weniger spektakulär erschien und damit glaubwürdiger wurde. Vor allem aber diente es zur Erklärung der italienischen Abstammungsgeschichte Kaspar Schlicks, die hier vermeintlich erstmals angeführt wurde.17 Während die in der Urkunde behauptete Herkunft der Familie väterlicherseits aus fränkischem Adel nicht völlig von der Hand zu weisen ist – zumindest können für die Egerer Bürgersfamilie adelige Ursprünge aus dem Vogtland angenommen werden –,18 wurde die reich ausgeschmückte Erzählung der hochadeligen Herkunft der Mutter (angeblich Constantia, Tochter des Grafen Rolando di Collalto) in der Forschung bisher stets mit Misstrauen betrachtet oder gar ins Reich der Legenden verwiesen.19 Dass ein Egerer Tuchhändler eine verarmte und von ihrem Erbe verstoßene italienische Gräfin als Gattin heimgeführt haben soll, bleibt zwar eine nur schwer glaubhafte Vorstellung. Neue Quellenfunde deuten jedoch an, dass die Behauptung der italienischen Verwandtschaft durch den kaiserlichen Kanzler einen wahren Kern enthalten könnte.20 Unabhängig davon bleibt für eine mögliche Ausnutzung der Collalto-Ansippung im Rahmen der familiären Repräsentation der Schlick im 15. und 16. Jahrhundert jedoch nicht die Frage ihrer Echtheit entscheidend, sondern die Feststellung, dass sie von den Zeitgenossen – auch von italienischer Seite – nicht angezweifelt wurde.21 Die Gelegenheit zur Konstruktion eines möglicherweise bis in die Antike reichenden Herkunftsmythos’, wie er gerade in dieser Zeit durch viele nordalpine Adelsfamilien über eine »Entdeckung« italienischer Wurzeln entwickelt wurde, war für die Schlick also gegeben.22 Dennoch finden sich bisher keine Hinweise darauf, dass sie sich im hier untersuchten Zeitraum – nach dem Tod Kaspars (1449) bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts – noch einmal in irgendeiner Weise auf das Grafenhaus Collalto oder andere italienische Verwandte berufen hätten. Der Grafentitel von Bassano Unabhängig von der italienischen Herkunftslegende Kaspar Schlicks, wenngleich zum Teil vielfältig mit dieser verwoben, müssen die durch ihn erworbenen echten oder gefälschten Standeserhöhungen für sich selbst sowie deren Erweiterungen auf seine Familie gesehen werden. Fälschungen waren für die öffentliche Repräsentation und Legitimation der Familie jedoch kaum einzusetzen, solange sie von Zeitgenossen der behaupteten Rangerhöhung angezweifelt werden konnten. Sollten sie zudem durch Widersprüchlichkeiten oder Fehler das Misstrauen von Herrschern, Standesgenossen oder gar herrschaftlichen Konkurrenten hervorrufen, konnten sie das gesamte fragile Konstrukt der Schlick’schen Rang- und Besitzansprüche zum Einsturz bringen. Demnach waren die entsprechenden Dokumente nur mit äußerster Vorsicht einzusetzen und reale Titel stets den fiktiven Ansprüchen vorzuziehen. Dies zeigt sich etwa beim Gebrauch des oben erwähnten, auf 1422 datierten Freiherrendiploms Kaspar Schlicks, mit dem dieser im Zusammenhang mit seiner Ehe mit Herzogin Agnes von Oels 1437 einen zuvor erlangten Herrenstand imaginieren wollte.23 Für den dabei erstrebten Rang musste diese Fälschung nur kurzzeitig herangezogen werden, da die 1438 aus der Hand König Albrechts II. erworbene ungarische Herrschaft Weißkirchen das unbestreitbare Recht zum Führen eines Herrentitels mit sich brachte.24 Den Titel als Herren von Weißkirchen führten die Angehörigen der Familie Schlick dann dauerhaft weiter, auch nach dem Verlust der Herrschaft um 1489.25 Besonders bemerkenswert ist der Umgang der Familie mit dem durch Kaspar Schlick vermutlich 1442 mittels zweier auf 1437 datierten gefälschten Urkunden erworbenen Titel als Grafen von Bassano (dt.: Passaun).26 Dabei ging es ihm wohl vor allem um den symbolischen Rang für sich und – eventuell noch mehr – seine Nachkommen,27 nicht jedoch um einen tatsächlichen Erwerb dieser italienischen Herrschaft, der angesichts bestehender venezianischer Ansprüche ohnehin kaum durchsetzbar erschien.28 Allerdings hat Kaspar Schlick den solcherart erworbenen Titel für sich selbst aus Gründen der Vorsicht offenbar nicht benutzt, obwohl er den Fälschungen sogar eine – wahrscheinlich ebenfalls gefälschte – Bestätigung von König Albrecht II. beifügte.29 Alle diese Urkunden ließ er 1442 durch König Friedrich III. bestätigen und erhielt zudem 1443/44 kurfürstliche Willebriefe dafür.30 Auch seine Verwandten und
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