Leseprobe

12 Sebastian Dohe »[...] so befahlen die Frau Herzogin, daß das zeitherige sogenannte Französische oder grüne Schlößchen, welches ehedem Herzog Johann Wilhelm im J. 1563. erbauet hatte, das aber ganz baufällig worden war, zu einem Bibliotheksgebäude eingerichtet werden sollte. [...] so daß die Bibliothek nebst dem Münzkabinet im Jahr 1766. in den Monaten April und May in selbiges gebracht und rangirt werden konnte. Es war auch dieses ein sehr großes Glück [...], indem bey dem am 6 May 1774. erfolgten unglücklichen Schloßbrande die Bibliothek, wenn sie noch da gestanden, ohne Rettung ein Raub der Flammen geworden wäre.«22 Dem beschriebenen Brand fielen zahlreiche noch im Schloss verbliebene Kunstwerke zum Opfer. Für das Münzkabinett ebenso wie für die Bibliothek und Kunstkammer war der Umzug also tatsächlich ein Glücksfall gewesen. Im Zuge der Verlagerung wurde die Münzsammlung neu katalogisiert. Das geschah zuerst in einem Inventarium (Abb. 7), nach der Sammlung Haugwitz das zweite überlieferte Sammlungsverzeichnis, und dann zeitnah erneut in drei Bänden, einem nach den Vignetten auf den Buchrücken zu betitelnden Catalogus Numophylacii (Abb. 8). Das Inventarium scheint sich als vorläufige Fassung zum Catalogus zu verhalten. Beide Bände müssen ganz oder zum Teil von Johann Christian Bartholomäi (1708–1776) verfasst oder diktiert worden sein. Bartholomäi war 1743 durch Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1688–1748) die Aufsicht über die Bibliothek übertragen worden. Bartholomäi beaufsichtigte daher auch ihren Umzug. In seiner posthumen Biografie heißt es: »Von dieser Zeit an fuhr er fort, an dem [sic] Realkatalogen zu arbeiten, übernahm aber auch die ihm gnädigst anvertraute Aufsicht über das bey der Bibliothek befindliche herzogl. Münzkabinet. Diese sehr kostbare Sammlung [...] war seit dem Jahr 1743 versiegelt gewesen; wurde aber 1768 geöffnet, und unserm Seligen [Bartholomäi] übergeben. Er fieng auch sogleich an, diese schätzbare Münzsammlung, welche seit jener Zeit beträchtliche Vermehrungen erhalten hat, in Ordnung zu bringen, und einen Katalogen darüber zu fertigen, welchen er aber nicht ganz hat vollenden können.«23 Das Inventarium ist datierbar durch einen Anhang, der Neuerwerbungen in den Jahren 1770 bis 1773 auflistet, sodass es zwischen der beschriebenen Öffnung des Kabinetts 1768 und den Erwerbungen des Jahres 1773 verfasst worden sein muss.24 Für die Objekte im Inventarium bezog sich Bartholomäi noch auf die Sammlung Haugwitz und führte deren Katalognummern mit. Allerdings ist der Aufbau nicht stringent nach einzelnen Herrschern angelegt und springt in der Ordnung, die sich offenbar eher an der vorhandenen Lagerung orientiert. Dies erschwert die Suche nach bestimmten Objekten. Von besonderem Wert ist die angehängte Ankaufsliste, da sie Provenienzen aufschlüsselt. Mehrfach erscheint hier beispielweise als Verkäufer an das Münzkabinett »Cammerrath Kirms«,25 vermutlich August Christian Kirms (1703–1778), und es werden Erben von Münzsammlungen oder Auktionen genannt. Geld aus dem zeitgenössischen Zahlungsverkehr kam in das Kabinett, indem dieses »Conventions-Geld [...] vom H. Bibliothec. Bartholomaei nach und nach eingewechselt worden« war.26 Am 13. Juni 1769 gab außerdem der noch elfjährige Erbprinz Carl August, späterer Herzog, eine Reihe von 83 »Medaillen, Thl. und kleineren Münz-Sorten« an das Münzkabinett ab.27 Möglicherweise hatte Carl August die Objekte im Rahmen einer Ausbildung als Prinz, als Anschauungsobjekte für dynastische Geschichte, besessen. Der dann in einem aufwändigen Einband mit vergoldeter Titelvignette am Buchrücken gebundene, dreibändige Catalogus wurde von Bartholomäi offenbar noch begonnen – der Großteil der Einträge scheint zu Beginn der 1770er Jahre gemacht worden zu sein – und wurde dann von anderer Hand weitergeführt. Seiten mit gerader Seitenzahl, also linkerhand, wurden leer gelassen, um Platz für Nachträge zu bieten. Das deutet darauf hin, dass Einträge auf Seiten mit gerader Seitenzahl erst nach 1770, etwa im Zeitraum bis 1780, zugingen.28 Als weiterer Bearbeiter kommt Gottlieb Ephraim Heermann (1727–1815) infrage, der in Weimar auch als Operettendichter in Erscheinung trat, an der Herzoglichen Bibliothek als Bibliothekar angestellt war und auch das Münzkabinett leitete. Notizen im Catalogus gehen deutlich über 1776, das Todesjahr von Bartholomäi, hinaus, mindestens bis 1783.29 Der Catalogus unterscheidet nach Linien des Hauses Wettin ebenso wie nach Nominalen und ist in sich deutlich übersichtlicher geordnet. ›Hauptmünzen‹, also große Nominale in Gold und Silber bis zum Vierteltaler reichend, sind in einem Band für Ernestiner verzeichnet, in einem zweiten Band für Albertiner, und ein dritter, mit Nummis Minores 7 · Inventarium 1768–1773, Bd. Ernestiner, S. 289

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