Leseprobe

34 Gunnar R. Dumke Notgeld Für das Thema Notmünzen oder auch Belagerungsgeld lässt sich eine weitere Häufung feststellen, was wiederum stark mit konfessionellen Auseinandersetzungen zusammenhängt. Allerdings schweigt Goethe in seinen Tagebüchern und Briefen komplett zu diesem Thema. Notgeld aus militärischem Zusammenhang lässt sich in seiner Sammlung zu den Bereichen Breslau 1620/1621, Breda 1625, Minden 1634 und Mainz 1793 finden. Die Münzen zu Breslau 1620/1621 beziehen sich auf den Dreißigjährigen Krieg im Königreich Böhmen: Friedrich V., Pfalzgraf und Kurfürst der Pfalz (1596–1632), ließ sich nach den Ereignissen des Prager Fenstersturzes 1618 von den protestantischen Landesständen von Böhmen und Schlesien zum König von Böhmen wählen, in totaler Opposition zum Habsburger Ferdinand II. (1578–1637). In der Hoffnung, die Unterstützung Englands und Dänemarks zu gewinnen, investierte Friedrich nicht nur sein Privatvermögen, sondern auch große Teile des Pfälzer Vermögens. In den darauf folgenden militärischen Konflikten gegen Truppen Kaiser Ferdinands II. wurden einseitig geprägte Silberklippen herausgegeben (Abb. 4). Notmünzen zu Breda beziehen sich auf den niederländischen Freiheitskampf als Begleiterscheinung des Dreißigjährigen Kriegs: Zwischen August 1624 und Juni 1625 wurde die niederländische Stadt Breda von spanischen und flandrischen Truppen belagert. Zuvor waren die Auseinandersetzungen zwischen Spanien und den Niederlanden, der sogenannte Achtzigjährige Krieg, nach zwölf Jahren Waffenstillstand 1621 wieder aufgeflammt. Trotz der besonders starken Befestigung der Stadtanlage gelang es den Spaniern, den Belagerungsring so zu schließen, dass die Stadt auch über den Flussweg keinen Nachschub mehr bekommen konnte. Nachdem mehrere Entsatzversuche von Seiten der Niederländer gescheitert waren, mussten sie nach acht Monaten der Belagerung schließlich kapitulieren. Die Belagerung fand europaweite Aufmerksamkeit; in Flugblättern wurde allerorts über den Fortgang der Belagerung berichtet. In Italien wurde auf den Ausgang der Belagerung gewettet, nach dem Sieg der Spanier kam es zu einer Suizidwelle der Wettverlierer. Zwölf Jahre später konnten die Niederländer die Stadt nach einer erneuten Belagerung ihrerseits wieder zurückerobern. Die Kupferklippen wurden von den Niederländern im Lauf der Belagerung als Notgeld herausgegeben (Abb. 5). Auch Minden wurde im Dreißigjährigen Krieg belagert: Bis 1626 beherbergte die Stadt eine dänische Besatzung, die sich aber angesichts einer heranrückenden, zahlenmäßig überlegenen kaiserlichen Streitmacht aus der Stadt zurückzog. Daraufhin besetzte der kaiserliche Feldherr Tilly (1559–1632) die Stadt nun seinerseits mit einer Garnison, die – trotz Konflikten mit den Einwohnern – sie bis ins Jahr 1634 halten konnte. In diesem Jahr belagerte Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg (1582–1641), der nur kurz zuvor zu den Schweden übergetreten war, die Stadt. Die Belagerung war den Schweden eher hinderlich, weil sie anderweitig benötigte Truppen band, weswegen ihre Unterstützung wohl eher zurückhaltend ausfiel. Trotzdem gelang es dem Herzog, die Stadt schließlich auszuhungern und zur Aufgabe zu zwingen. Auch hier wurden die Silberklippen in der Stadt als Notgeld ausgegeben. Hergestellt wurden sie aus zuvor beschlagnahmtem Silbergeschirr, was auf einigen Stücken noch gut nachzuvollziehen ist (Abb. 6). Mit den Münzen zu Mainz verlassen wir die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und begeben uns in Goethes eigene Vergangenheit: Am 21. Oktober 1792 war Mainz durch Kapitulation von französischen Truppen besetzt worden, und im darauffolgenden März wurde von Mainzer Jakobinern die Mainzer Republik ausgerufen. Dieses veranlasste die Koalitionstruppen Preußens und Österreichs zur Rückeroberung der Festung. Die Stadt wurde ab dem 14. April 1793 von 32 000 überwiegend preußischen Soldaten eingekesselt und von 23 000 französischen Soldaten verteidigt. In der Stadt sorgte vor 5 · Belagerungsklippe aus Breda zu einem Stuiver, 1625, KSW, Museen, GMM-3026 6 · Belagerungsklippe aus Minden zu acht Groschen, 1634, KSW, Museen, GMM-3103 4 · Klippe aus Schlesien zu drei Talern, 1621, KSW, Museen, GMM-2979

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