Leseprobe

41 Glasschuber in Gabelkonstruktion – eine außergewöhnliche Münzpräsentation 1850 – ein Münzschrank wird übergeben Am Nikolaustag 1850 quittierte »D. [Dr.] J. Stickel« unter der Auflistung zweier Sammlungen die Übergabe derselben »nebst e. Münzschrank t. [et] zugehörigen 2 Schlüsselkasten, Glasrahmen u e. Tisch mit gabel-förmigen Aufsatze, auch den beiden zugehörigen Catalogen«.9 Hierbei handelt es sich um Johann Gustav Stickel (1805– 1896), Jenaer Universitätsprofessor und Direktor des großherzoglichen orientalischen Münzkabinetts. Dieser schloss möglicherweise mit dieser Übergabe eine zwischen 1843 und 1846 laufende Neuordnung des bis 1927 im Bibliotheksgebäude befindlichen und alsdann in die Staatlichen Kunstsammlungen im Schloss transferierten großherzoglichen Münzkabinetts ab.10 Mit diesem in das Inventar integrierten Übergabezettel lässt sich nachweisen, dass der erhaltene Schrank einst mit Zusatzelementen ausgestattet war und in ihm zwei Teilsammlungen mit Katalogen vor dem 6. Dezember 1850 zusammengeführt wurden. Die Worte »Glasrahmen«, »gabelförmiger Aufsatz« und »Tisch« sind die Schlüsselbegriffe für die Rekonstruktion. Stickel benannte in seiner nach Katalog und Materialgruppen geordneten Auflistung auch die Herkunft beider Sammlungen: »A. in Catalog I verzeichnet, aus Russland gekommen: 510 Medaillen a Gold, 342 Münzen a Gold (1-70), Silber (70-276), Platina (277-79), Kupfer (280-342)« und »B. in Catalog II, a.[aus] der Großhz. Weimar. Sammlg. stammend: 7 Medaillen a Silber / 5 St. Gold / 1 Stck Kupfer (1 Stck), 19 Münzen v. Großfürsten u. Zaren, 77 Münzen v. Kaiser u. Kurprinzen, weniger 1 Stck (vgl. zu no. 52). Doubletten: Medaillen 3 Stck, Münzen 16 Stck. Ungewisse: 22 Stck. Silber, 21 ~, 1 ~, 4 ~, 2 ~, 7 Kupfer, 2 ~, 84 Varia. (13 Stck mit Russ. Medaillen (abgesondert).«11 Stickels Worte wirken so, als seien die Objekte aus dem ersten Katalog damals noch nicht lange in Weimar gewesen, so sehr betont er, dass sie aus Russland kamen. Es wird sich zeigen, dass die über 800 Stücke erst seit 1846 in Weimar waren. 1804 – Silberrubel als Geschenk Eine Suite mit zehn Silberrubeln kam im November 1804 nach einmonatiger Reise in der Residenzstadt Weimar an. Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757–1828) hatte sie geschenkt bekommen. Dies berichtete Christian Gottlob Voigt (1743–1819) – Staatsminister und gemeinsam mit Goethe (1749–1832) mit der Oberaufsicht der Herzoglichen Bibliothek betraut und wie dieser Besitzer einer umfangreichen Münzsammlung.12 Voigt gab »Zur Nachricht«, dass die mit dem Erbprinzen, Carl Friedrich von SachsenWeimar-Eisenach (1783–1853), vermählte Großfürstin Maria Pawlowna von Russland während der Reise von St. Petersburg dem Weimarer Herzog, Carl August, der »Ihr bis in Preußen entgegen gereist war, [...] bey dieser Begegnung [...] das erste Geschenk [...] mit einer Russischen Regenten-Suite in Rubeln, von zehn Stück [...]« überreicht habe: Geldstücke von Peter I., Katharina I., Peter II., Anna, Iwan VI., Elisabeth, Peter III., Katharina II., Paul I. und Alexander I.13 Voigts Formulierung »das erste Geschenk« impliziert, dass weitere Geschenke an den die Prinzessin einholenden Weimarer Herzog gingen, bevor das Paar am 9. November 1804 den Ehrenbogen am Stadtrand durch- und in den Hof des nach dem Brand 1774 gerade eben wiederhergestellten Residenzschlosses einfahren konnte.14 Auf einem etwas kleineren Vorsatzblatt, das auf den Geburtstag von Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739– 1807) datiert ist, schrieb Voigt ergänzend, er habe die »Anliegende Rubel-Suite [...] längst zum Herrsch. Gebrauch abgegeben, wenn ich nicht gehofft hätte«, dass es »bis zur Wieder Eröffnung des Cabinets« Zeit gehabt hätte. Auch, so Voigt weiter, »sollte verträglich ein eigenes Kästgen zu dem merkwürdigen Geschenk verfertigt werden. Jetzt aber, da Er. Wohlgeb das Regelwerk des Cabinets ordern, stehe ich nicht länger an, auch jene grosfürstl Schenkung in Ihre Treuen Hände zu legen und mich dadurch zum Schluss für das Cabinet zu entledigen. CGVoigt d. 24. October 1810, An. Leg. Rath. Heermann«.15 Möglicherweise ist das hier genannte »Kästgen« damals wirklich angefertigt worden. Doch spätestens seit 1850 ist diese geschenkte Suite aufgelöst und in die kleinere der zwei Sammlungen − in die letzten zwei Glasschuber und entsprechend im Inventar in die Seiten 86 bis 92 − integriert. Dies lässt sich mithilfe von zwei unterschiedlichen BleistiftAnmerkungen im Inventar nachweisen: Unscheinbar sind Ziffern mit runden Klammern, 1) bis 9), neben die Katalognummern 4 (Peter I.), 24 (Katharina I.), 33 (Anna), 35 (Iwan VI.), 37 (Elisabeth), 46 (Peter III.), 49 (Katharina II.), 69 (Paul I.) und 74 (Alexander I.) geschrieben. Dazu gibt es direkt dort keinerlei Auflösung. Das Rätsel ist zu lösen mit einem nochmaligen Blick auf Voigts Zur Nachricht zum Ereignis von 1804. Neben den dort aufgelisteten zehn (!) Regenten der GeschenkeSuite ist auf Höhe der Münze von Peter II. mit einem Fragezeichen einsetzend mit Bleistift geschrieben, dass »im Katalog kein Rubel von Peter II. zu finden« sei.16 Dies zeigt, dass die anderen neun eben jene sind, die die Bleistiftzahlen 1) bis 9), markieren. 1846 – eine Schenkung von über 800 Münzen und Medaillen Im Jahr 1846, wohl zum 60. Geburtstag der Großherzogin Maria Pawlowna von Sachsen-Weimar-Eisenach am 16. Februar, kam im Bibliotheksgebäude ein besonders wertvolles Geschenk des Zaren Nikolaus I. von Russland an. Dies ist mit einem Eintrag im StaatsHandbuch für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach von 1874 nachzuweisen: »Mit der Bibliothek sind vereinigt ein ansehnliches, für die sächsische Geschichte besonders wichtiges, vom Herzog Wilhelm Ernst 1706 gegründetes und nach Ankauf einer Sammlung antiker Münzen 1844 [d. i. Voigts Kollektion] neu geordnetes Münz- und Medaillen-Kabinet, vermehrt noch 1846 durch eine Schenkung Sr. Majestät des Kaisers von Rußland an 800 Russischen Geschichts-Medaillen und Münzen in Platina, Gold, Silber und Kupfer, ferner eine Siegelsammlung, begründet 1853 durch Ankauf der reichhaltigen Sammlung des Geheimen Regierungsraths C. P. Lepsius in Naumburg, und endlich ein Kunst- und Antiquitäten-Kabinet älterer Stiftung.«17

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