Leseprobe

56 Dynastiegeschichte(n) Teil 1 – 16. Jahrhundert · 3 · Schraubtaler mit zwei Porträts 1507–1525/um 1620–1640 • Silberlegierung, innenseitige Bemalung • Gewicht: 16,715 g • Durchmesser: 38,8 mm • Stempelstellung: 3 h Vs: Brustbild Friedrichs nach rechts im Kurornat mit geschultertem Schwert, die Legende unterbrochen durch die Wappen von Kursachsen, Herzogtum Sachsen, Landgrafschaft Thüringen, Markgrafschaft Meißen; Umschrift: +FRID / ERI:IO / HAN:G / EORGI Rs: Brustbilder Georgs und Johanns gegenüber, die Legende unterbrochen durch die Wappen des Herzogtums Sachsen, Landgrafschaft Thüringen, Pfalzgrafschaft Sachsen, Markgrafschaft Meißen; Umschrift: MONE / ARGE: / DVCVM: / SAXO Inventarnummer: MM-2020/82 Alte Inventarnummer: ohne Nummer Provenienz: Vor der Neuordnung des Münzakbinetts 1908–1911 erworben; im Juni 1945 gestohlen; am 8. 9. 1954 durch die USA zur treuhänderischen Verwaltung an die BRD zurückgegeben; am 10. 4. 1989 in Berlin übergeben und zurück nach Weimar transportiert. Literatur: Inventarbd. X: Sachsen A. Münzen der Ernestinischen Linie 1908–1911, S. 11, ohne Nummer; Davenport 1979, S. 295, Nr. 9709; Preßler 2000, S. 14, 175, Nr. 480; (Vorderseite) Schnee 1982, S. 25, Nr. 19; Kohl/Becker 2020, S. 217, Nr. 15.09; (zur Geschichte von Schraubtalern) Preßler 2000, S. 13–20 Schraubtaler waren beliebte Objekte seit dem späten 16. Jahrhundert. Münzen oder Medaillen wurden so bearbeitet, dass sich Vorder- und Rückseite mit einem Gewinde verbanden. In der Regel wurden dazu zwei Münzen verwendet, indem beide jeweils ausgehöhlt und mit einem Gewinde versehen wurden, um dann gemeinsam wieder ein Ganzes zu ergeben. Vorder- und Rückseite mussten dabei nicht einmal von ein und derselben Prägung stammen. Der dann zusammengesetzte Schraubtaler konnte wie ein kleines Döschen geöffnet werden. Auf die Innenseite konnten kleine Porträts oder Szenen gemalt oder auch Bildträger eingelegt werden. Besonders im Rahmen der Feier von Reformationsjubiläen wurden im 17. und frühen 18. Jahrhundert Ereignisse, zum Beispiel das Leben Martin Luthers, auf kleine Papierkartellen gemalt, die mit Papierstegen miteinander verbunden waren und sich zu einem Tableau auseinander- und wieder zusammenfalten ließen. Das konnte die bildende Funktion haben, sich Ereignisse einzuprägen, oder im Fall eines Porträts ein kostbares Andenken an eine Person darstellen. Dieser Schraubtaler wurde aus einem Klappmützentaler hergestellt und gilt mit Blick auf die Datierung der Münze als der bislang älteste nachgewiesene Schraubtaler überhaupt. Die Technik ist so filigran und sicher ausgearbeitet, dass der Verschluss nach wie vor perfekt sitzt und es beim ersten Betrachten nicht auffällt, dass hier keine solide Münze vorliegt. Der Überraschungswert, in einem Gegenstand innen etwas völlig anderes als von außen erwartbar vorzufinden, funktioniert also nach wie vor. Es ist nicht klar, wo genau das Objekt entstand, wahrscheinlich ist ein oberdeutsches Zentrum wie Augsburg, das im 17. Jahrhundert führend auf dem Gebiet der Silberschmiedekunst war. Auch offen ist, ob der Taler an einem Ort in einen Schraubtaler umgearbeitet und an einem ganz anderen Ort mit den Porträts versehen wurde. Die Kleidung ist typisch für die Niederlande des frühen 17. Jahrhunderts, ungefähr in der Zeitspanne von 1620 bis 1640, aber die Mode war nicht auf die Niederlande beschränkt, und eine genaue Identifikation der Dargestellten oder eines präzisen Herstellungsorts ist so nicht möglich. Da Schraubtaler in der Regel gleich zwei Münzen entwerteten, verwundert es nicht, wenn dazu Stücke herangezogen wurden, die im täglichen Zahlungsverkehr nicht mehr gebräuchlich waren – das würde auch die zeitliche Differenz zwischen der Talerprägung und der Malerei von mehr als 100 Jahren erklären. Aus Picks Inventar von 1908/1911 geht nicht hervor, wann das Objekt in die Sammlung gelangt ist. Das Inventar von Soret hebt das Stück nicht hervor und erwähnt nur drei durch die Sammlung Callmann zugegangene Klappmützentaler, die Pick als »Soret 18a/b/c« notierte. In den älteren Inventarbüchern erscheinen Klappmützentaler zum Teil verstreut oder summarisch, sodass sich die Provenienz nicht präzise verorten lässt. SD

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