Leseprobe

178 Geprägter Glaube – 1544 bis 1917 · 61 · Medaille auf das dreihundertjährige Reformationsjubiläum 1817 • Goldlegierung • Gewicht: 22,929 g • Durchmesser: 39,2 mm • Stempelstellung: 12 h Vs: Eine Hand, die einen Vorhang zurückzieht und den Blick auf eine Bibel freigibt, darin: BI= / BLIA / SA= / CRA; auf dem Umfassungsring mittig unten: LOOS Rs: Sechszeilige Inschrift: SEGENREICHE / WIRKUNG / INS VIERTE / JAHRHUNDERT / WEIMAR / 31.OCT.1817 Inventarnummer: MM-2020/1853 Alte Inventarnummer: Carl Alex., 18, 30 Provenienz: Aus dem Nachlass von Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach bei der Neuordnung des Münzkabinetts 1908–1911 eingegliedert. Literatur: Frede 1959, S. 58, Nr. 23; Ausstellungskat. Weimar/Leipzig 1971, S. 19–20; Schnell 1983, S. 234–235, Nr. 280; Klauß 2000, Bd. 1, S. 344, Bd. 2, S. 92–94; Opitz/Hölscher u. a. 2018–2019, Bd. 2.4, S. 2391–2392, Nr. 3188, 3188 a Weimar und Reformationsgeschichte waren bereits in der Goethezeit nicht voneinander zu trennen, war die Stadt doch seit 1547 deshalb Residenz, weil Johann Friedrich der Großmütige im Krieg gegen den Kaiser unterlag, in Weimar sein Herzogtum neu aufbaute und die Rolle als Märtyrer des Protestantismus annahm, was nachfolgende Generationen stetig wiederholten. Zum 300. Jubiläum des Thesenanschlags in Wittenberg wurden an vielen deutschen Orten Jubiläumsmedaillen produziert. Weimar stand hier nicht zurück. Die Idee dazu gab Christian Gottlob Voigt, der mit Johann Wolfgang Goethe darüber korrespondierte. Heinrich Meyer und Goethe zeichneten Entwürfe. Schließlich setzte sich die Version durch, kein Lutherporträt zu verwenden, sondern eine hinter einem Vorhang durch einen Priesterarm gelüftete Bibel auf der einen Seite mit reiner Schrift auf der anderen Seite zu kombinieren. Geprägt und vertrieben wurde sie durch Loos in Berlin, der auch andere Entwürfe zum Jubiläum umsetzte. Lothar Frede urteilte später abschätzig über »die Ausgestaltung des alles andere als geschmacksvollen Meyerschen Entwurfs«, doch setzte der Verzicht auf ein Lutherporträt die Prägung zumindest ab von den vielen anderen Medaillen, die in Deutschland anlässlich des Jubiläumsjahrs 1817 erschienen. Oft sortieren Münzkataloge die Prägung unter dem Namen von Großherzog Carl August ein – obgleich Voigt an Goethe am 21. Juni 1817 berichten musste: »Der Großherzog hat mir abgeschlagen, von oben herab etwas damit zu tun zu haben. Es könnte also nur ein Privatunternehmen sein.« Aus der Menge der überlieferten Abschläge vor allem in Bronze folgerte Lothar Frede aber, dass Loos hier erfolgreich ein Geschäft gemacht und Voigt sich durch einen privaten Vorschuss nicht finanziell übernommen hatte. Die Überlieferungslage für diese Prägung ist in der Klassik Stiftung Weimar vorbildlich: Neben Entwurfszeichnungen und umfangreicher Korrespondenz darüber haben sich die ausgeführten Stempel für beide Seiten erhalten. Im ehemals Großherzoglichen Münzkabinett liegt die Medaille in der Abteilung ›Reformation‹ dreifach vor – einmal in Gold, einmal in Silber und einmal in Bronze. Die vorbildliche Reihung ist das Ergebnis der Integration von Teilsammlungen von 1908 bis 1911 in das Großherzogliche Münzkabinett. Der Bronzeabschlag stammt aus der Sammlung von Großherzogin Sophie, der Silberabschlag aus der Sammlung Spitzner und der seltene Goldabschlag aus dem Nachlass von Carl Alexander und dessen immerhin fast 2 500 Münzen und Medaillen umfassender Privatsammlung. Es ist möglich, dass der Großherzog das Stück geerbt und es ursprünglich sein Großvater Carl August besessen hatte. Daneben existiert im Münzkabinett noch ein zweiter Goldabschlag (MM-2022/ 1476), den das Soretʼsche Inventar und das Inventar von Vulpius auflisten und der demnach wahrscheinlich unmittelbar 1817 als Belegstück für das Kabinett erworben wurde. Weitere Exemplare in Gold und Silber finden sich in Goethes Privatsammlung (GMM-1561, GMM-1562). Es ist dem Stück aus Carl Alexanders Sammlung anzusehen, dass es im Gegensatz zu den anderen genannten Goldexemplaren offenbar am wenigsten bewegt und nur selten oder höchst behutsam berührt worden sein muss. Der Stempelglanz ist perfekt erhalten, und störende Kratzer sind fast nicht vorhanden, sodass sich auf der Vorderseite die zarten Lichtstrahlen im Prägebild besonders gut zu erkennen geben. SD

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