10 Sebastian Dohe »Die Kupfertafeln hat schon der H. von Haugwitz stechen lassen, mit dessen Cabinet sie nebst dem ersten in gros. Fol. gefertigten, u. in braun Leder gebundenen Abdruck davon hierher gekommen sind, wie aus der mit Bleystift am Ende von Wilh. Ernst Tenzels [...] Hand beygeschriebenen Note deutlich zu schließen ist.«12 Dieses in braunes Leder gebundene Exemplar von Francks Publikation mit den erwähnten Bleistiftnotizen ist überliefert (Abb. 4). Die darin befindlichen Abbildungsseiten fallen im Format etwas größer aus als der davor befindliche Text. Hier wurden offenkundig zwei unterschiedliche Drucke nachträglich zu einem Buch zusammengebunden – ein weiteres Indiz, dass die Abzüge der Kupferstiche schon 1700 nach Weimar geliefert worden waren und dann erst durch Franck deutlich später publiziert wurden.13 Mit dem Erwerb der Sammlung Haugwitz war der Weimarer Herzog also Eigentümer einer in numismatischen Kreisen bestens bekannten und schon in Teilen für eine Publikation vorbereiteten Münzsammlung geworden, die so ausgerichtet war, wie es der führende Kenner sächsischer Numismatik empfahl. Das zu zelebrieren, taugte für höfische Feierlichkeiten: Eindrucksvoll belegt das ein Gedicht von Johann Matthias Gesner (1691–1761) anlässlich des 65. Geburtstags von Herzog Wilhelm Ernst, eine Anrede des Fürstl. Münz Cabinetes an seinen durchlauchtigsten Stifter. Hier tritt die Münzsammlung selbst als Personifikation auf und spricht den Herzog dankbar an: »Als Haugwitz mich verließ, nahmst du mich, Herr, zu dir glückseliger Verlust, durch den wir mehr erlangen Als wir vorhin gehabt. So wohl gelung es mir. Ich bin aus einem Kind von Ritterlichem Orden [...], doch hierdurch zur Fürstentochter worden.«14 Die Münzsammlung selbst rühmte sich also, eine Rangerhöhung durch den Besitzerwechsel erfahren zu haben. Im Lauf des Gedichts wiederholt sie dann Tentzels Argument, dass sich eine Münzsammlung als Erkenntnisinstrument eigne, um die Geschichte der fürstlichen Abkunft möglichst weit in die Zeit zurückreichend zu ergründen. Münzen versprachen einen besonders authentischen Blick in die Vergangenheit. Das zielte letztlich auf einen Kerngedanken adliger Herrschaft – je besser der Stammbaum, desto nobler die eigene Position. So wie die Sammlung Haugwitz weit über Weimar vor ihrem Ankauf bekannt war, so verbreitete sich das Jahr 1700 als Gründungsdatum eines weimarischen Münzkabinetts. 30 Jahre später wiederholte der in Sachsen geborene und in Göttingen als Professor lehrende Johann David Köhler (1684–1755) das Ereignis, als er das Leben von Herzog Wilhelm Ernst Revue passieren ließ: »Sein irdisches Vergnügen hatte er an schönen Bluhmen und Früchten, an einer guten Music, an einem auserlesenen Cabinet von Sächs. Münzen, und an einer vortreffl. Bibliothec. [...] Das kostbahre und sehr vollständige Münz-Cabinet erhandelte er A. 1700. durch den Münz-erfahren Tenzel von den Haugwitzischen Erben, und vermehrte solches bey aller Gelegenheit.«15 Manchem Historiker genügte es auch, Tentzels Bericht dazu mehr oder weniger getreu abzuschreiben.16 Binnen weniger Jahre etablierte sich das Weimarer Kabinett so zu einem Standort für die Darstellung sächsischer Münzgeschichte. Tentzel konnte in seiner Saxonia Numismatica, die er ab 1705 veröffentlichte und die nach seinem Tod 1714 noch einmal in einer zweiten Auflage erschien, nun regelmäßig auf Stücke im Weimarer Münzkabinett verweisen. Stand vielleicht in der Vermittlung des Ankaufs der Sammlung Haugwitz sogar der Gedanke Tentzels dahinter, eine vom Verkauf der Erben bedrohte Privatsammlung, die schließlich einen besonderen Wert für die sächsische Numismatik besaß, vor dem Schicksal der Zerstreuung zu bewahren? In Form eines eigenen, institutionalisierten Münzkabinetts, das ein Fürst wie eine Bibliothek oder Kunstkammer pflegte, ließen sich die Stücke jedenfalls auch von Dritten langfristig konsultieren – und flankierten damit letztlich die Überprüfbarkeit der von Tentzel veröffentlichten Forschung. Umzug und Neuaufstellung nach 1766 Münzkabinette zählten im 18. Jahrhundert zusammen mit Bibliotheken oder Gemäldesammlungen zu den Vorzügen eines Hofes, für die sich ein Besuch lohnte. Formelhaft wiederholen Reisetagebücher und geografische Beschreibungen dies auch für das Weimarer Münzkabinett und heben es neben anderen Sammlungen im Residenzschloss (Abb. 5) mal mehr, mal weniger ausführlich hervor. Exemplarisch lautete zum Beispiel 1754 ein Eintrag: 4 · Salomo Franck, Illustris Nummophylacii Wilhelmo Ernestini, 1723, KSW, HAAB, Sign. Num 74, Taf. VII
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