Malerei aus dem Bauch heraus oder mit großer Gestik ist nicht meine Sache. ACR Sie wurden im heutigen Tschechien geboren und sind in der DDR aufgewachsen, bevor Sie nach der Wende in den Westen gezogen sind. Inwiefern hat Ihre Kindheit und das Leben in der DDR Ihre Entscheidung beeinflusst, sich der Kunst zu widmen, und wie prägt diese Erfahrung Ihre künstlerische Arbeit bis heute? HT Die ersten fünf Jahre in der damaligen Tschechoslowakei hatten keinen großen Einfluss auf mich. Als ich später noch einmal nach Bodenbach reiste, fand ich es trostlos. Zu DDR-Zeiten sah Nordböhmen noch schlimmer aus als die DDR selbst. Aber auch mein Wohnort in der DDR, Schkeuditz, war nicht viel besser. Doch immerhin konnte ich in den 1960er-Jahren die Bezirksausstellungen in Halle sehen, die deutlich interessanter waren als die in Leipzig. Die Hochschule in Leipzig kam für mich damals ohnehin nicht infrage. Man gerät schnell in eine künstlerische Strömung, die einem womöglich nicht entspricht. ACR Also hatten Sie schon immer Ihren eigenen Kopf? HT Natürlich! Es macht doch keinen Sinn, wenn man nicht das macht, was man wirklich will. Man kann sich irren, aber man muss wenigstens versuchen, das zu erreichen, was einem wichtig ist. ACR Unbeirrt als Künstler den eigenen Weg zu gehen, stelle ich mir in der DDR schwierig vor, zumal einige Ihrer Arbeiten als systemkritisch gelten. Wie haben Sie es dennoch geschafft, Ihren eigenen Stil zu bewahren? HT Man musste vorsichtig sein. Ich habe zum Beispiel viele Sportbilder gemalt – ein großes Thema in der DDR, weil der Sport eines der wenigen Felder war, in denen sich das System international beweisen konnte. Gleichzeitig war es ein Bereich, der ideologisch stark aufgeladen war. Als ich Ende der 1970er-Jahre meine ersten Werke im Johannes R. Becher-Club ausstellte, wurde ich sogar einbestellt, um meine Bilder vorzuzeigen. Letztlich hat man sich nicht getraut, dagegen vorzugehen. Klar war: Wer Karriere machen wollte, musste sich anpassen – ich tat das nicht. Trotzdem bekam ich Aufträge für Illustrationen und Baukunst. Ab und an durfte ich sogar ein Plakat entwerfen. ACR Erik Stephan vom Kunstmuseum Jena hat Ihre Arbeitsweise, Herr Ticha, mit der von Fernand Léger verglichen. Wie Léger, so sagt er, bedienen Sie sich eines »élément mécanique«, einer konstruktiv-unindividualisierten Bildsprache. Hat Fernand Léger Einfluss auf Ihr Schaffen? HT Da irrt sich Erik Stephan ganz und gar nicht. Das Wenige, was ich von Léger kannte, hat mich durchaus interessiert – vor allem, weil er das normale Leben als Gegenstand seiner Kunst wählte. Das war ein großer Unterschied zu Pablo Picasso. Picassos mediterraner Stil war für jemanden aus dem Osten fremd und unerreichbar. Man konnte sich damit nicht wirklich auseinandersetzen, auch wenn ich vieles an Picasso großartig fand. Léger hingegen war auf die Gegenwart ausgerichtet – direkt, robust. Seine Werke im Original habe ich erst zur Wendezeit gesehen. In der DDR-Malerei gab es zum Beispiel keine Autos. Konrad Knebel malte Stadtlandschaften, aber ohne Autos. Als ich 1966 meine Wohnung in der Rückestraße am Prenzlauer Berg bezog, stand in der ganzen Straße bis zum Wasserturm nur ein einziges Auto. Zehn Jahre später war alles zugeparkt, auch mein Trabbi stand dazwischen. Diese Veränderung, das Urbane, die Körperlichkeit – all das erinnerte mich an Léger. Vor allem seine bestimmten Phasen, sein Prinzip, das ich schon früh für mich übernommen habe – auch in Anlehnung an meinen Lehrer Robbel. Ich wollte nicht durch Perspektive ein Loch in die Leinwand bohren, sondern dass meine Figuren direkt auf der Fläche stehen – körperlich präsent, aber nicht räumlich. ACR Vom Blick von außen nun zum Blick von innen: Herr Ticha, wie würden Sie selbst Ihre Arbeitsweise beschreiben? HT Malerei aus dem Bauch heraus oder mit großer Gestik ist nicht meine Sache. Ich arbeite strukturiert, plane und überarbeite meine Werke oft über Jahre hinweg. Als Jugendlicher versuchte ich mich an Aquarellen und spätimpressionistischen Arbeiten, merkte aber schnell, dass diese Richtung nicht zu mir passte.
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