Leseprobe

122 • 123 Hans Fallada, Wie spät (1989) oder Gute Zähne (1986) ➋ von Dieter Mucke sind weithin bekannt. Dem älteren, insbesondere bibliophil veranlagten Publikum kommen beim Gedanken an Ticha andere Bücher in den Sinn wie Zimmer mit Frühstück (1977) ➌ von Christoph Geiser, Museum der verschwundenen Liebhaber (1988) von Joachim Gumpert oder Joachim Ringelnatz‘ Gedichtband Und auf einmal steht es neben dir (1996) ➍. Die Auswahl ist groß, denn der Künstler hat von etwa 1970 bis heute beinahe 100 Bücher illustriert.3 Darunter befinden sich zahlreiche, bei denen er die Gesamtgestaltung übernommen hat, unter anderem bei Peter Hacks‘ Das musikalische Nashorn (1979) ➎. Bei diesem Kinderbuch entsprechen sich alle Komponenten gestalterisch und inhaltlich. Sogar die einzelnen Seiten korrespondieren miteinander, indem sie sich aufeinander beziehen und selbst die abgebildeten Figuren über die jeweilige Abbildung hinaus in Verbindung treten. Zu den gestalteten Büchern kommen noch über 65 Einband- beziehungsweise Umschlaggestaltungen hinzu. Tichas künstlerische Handschrift zieht sich wie ein roter Faden durch Jahrzehnte der Buchkunst – beginnend in der DDR über die Wiedervereinigung hinweg bis hin zu seinen späten Arbeiten. Eine Erfolgsgeschichte Schon während seines Pädagogik-Studiums experimentierte der Künstler mit Linol- und Holzschnitten.4 Nach diesen ersten Annäherungsversuchen und dem Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee kamen Anfang der 1970er-Jahre mehr und mehr Aufträge im Bereich Buch- und Zeitschriftenillustration hinzu.5 Es war eine Zeit, in der die Buchgestaltung in der DDR einen hohen Stellenwert einnahm. Illustrationen waren Bestandteil des Bildungs- und Kulturauftrags und nicht nur schmückendes Beiwerk.6 Auch wenn Ticha heute seine Illustrationen mit einem Augenzwinkern »Randnotizen« nennt, verstand er es schon früh, Bebilderungen zu schaffen, die den Text untermalen und vertiefen, formal zumeist streng und dennoch mit einem unbeirrbaren Gespür für die Verbindung von Bild und Text. Viele und gerade im Osten Deutschlands Aufgewachsene verbinden derlei Erinnerungen mit den von Hans Ticha gestalteten Kinderbüchern. Seine Figuren, seine Darstellungen sind so prägnant und haben einen derart hohen Wiedererkennungseffekt, dass bei jedem von Ticha gestalteten Buch unmittelbar klar ist, aus welcher Hand es stammt. Bücher wie beispielsweise Geschichten aus der Murkelei (1973) ➊ von ➊ Hans Fallada, Geschichten aus der Murkelei · 1973 ➀

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