Leseprobe

12 • 13 persönliche Entscheidung, sondern war gleichsam eine politische Positionierung. Wer Kunst studierte, musste sich mit den offiziellen Ideologien auseinandersetzen und einen Platz innerhalb des sozialistischen Kulturbetriebs finden. Letztlich sollte das Ticha nicht aufhalten. Schon während seiner Zeit in Schkeuditz besuchte er einen Laienkunstzirkel, frei von den Zwängen des offiziellen Kunstbetriebs, und sammelte dort erste Erfahrungen mit Malerei und Grafik, die sich im Anschluss an sein Pädagogikstudium auch in ersten illustrativen Arbeiten zeigten.4 Schließlich wagte er 1965 den entscheidenden Schritt: Er bewarb sich an der Kunsthochschule für bildende und angewandte Kunst Berlin-Weißensee – und studierte dort fünf Jahre lang unter anderem bei Kurt Robbel, Werner Klemke, Arno Mohr und Klaus Wittkugel. Atelier, Berlin-Prenzlauer Berg · 1986 Ausstellung, Galerie LÄKEMÄKER, Berlin · 2013 Aufbrüche Die Zeit bis 1970 in Berlin-Weißensee war prägend. Hier kam Ticha erstmals mit den großen Strömungen der modernen Kunst in Berührung. Während viele Künstler in der DDR den Vorgaben des Sozialistischen Realismus folgten, schwamm Ticha gegen den Strom und fand zu seiner eigenen Bildsprache, die auch seine Druckgrafiken sprachen, an denen er schon während seines Studiums arbeitete. Besonders Linol- und Holzschnitte, später auch Offsetdruck, faszinierten ihn. Mit diesen Drucktechniken konnte er seine Vorliebe für klare Formen und exakte Kompositionen zum Ausdruck bringen. Hans Ticha blieb bis 1990 in Ost-Berlin,3 wo er freiberuflich als Grafiker und Illustrator arbeitete – und das mit beachtlichem Erfolg. In der DDR entwickelte er sich schnell zu einem der gefragtesten Künstler. Seine Arbeiten waren nicht nur in Büchern6 zu finden, sondern auch in Ausstellungen und Zeitschriften, genauso wie als Kunst im öffentlichen Raum. Nach der Wende zog er zunächst nach Mainz – wieder ein Neuanfang mit Tücken, denn die Veränderungen durch die Wiedervereinigung bedeuteten für viele Künstler der ehemaligen DDR eine Herausforderung. Die bisherige Kunstlandschaft zersetzte sich, eine neue war noch nicht gewachsen. Doch Ticha ließ sich nicht beirren, fand neue Auftraggeber und Sammler und etablierte sich in der westdeutschen Kunstszene. 1993 folgte der Umzug nach Maintal, einer Stadt nahe Frankfurt am Main. In dem beschaulichen Ort fand er die Ruhe und Inspiration, die er für seine Arbeit brauchte.

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