13 Myron Myron (griech. Μύρων) stammte aus der Ortschaft Eleutherai, die in Attika liegt, und zwar im Grenzgebiet zu Böotien, knapp 40 Luftlinienkilometer von Athen entfernt. Da sein Sohn Lykios bereits um die Mitte des 5. Jhs. v. Chr. so angesehen war, dass ihn die Einwohner von Apollonia in Illyrien mit der Gestaltung eines großen Weihgeschenks für das Zeusheiligtum von Olympia betraut haben,1 dürfte Myron selbst noch vor 500 zur Welt gekommen sein. Über seine(n) Lehrer sind wir, wie zum Beispiel auch im Fall seines namhaften Zeitgenossen und Kollegen Kalamis, schlecht informiert; vielleicht ist er in seiner Jugend tatsächlich, wie Plinius zu berichten weiß, bei dem Bronzegießer Ageladas d. Ä. (auch: Hageladas) in die Lehre gegangen.2 Er mag aber auch durch die bedeutende äginetische Bildhauerschule geprägt worden sein, da in der von ihm geschaffenen Hekate, die Pausanias auf seiner Griechenlandreise in Ägina gesehen hat,3 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Frühwerk zu erkennen ist. Welcher Art die im Anschluss an seine Ausbildung sowie die während seiner mittleren Schaffensphase entstandenen Werke gewesen sind, entzieht sich unserer Kenntnis: Die Werke, zu deren Datierung Informationen vorliegen – es handelt sich um die Statuen der Olympiasieger Lykinos und Timanthes4 –, oder die aufgrund einer stilkritischen Analyse datiert werden können (Diskobol und Athena-Marsyas-Gruppe), gehören alle in Myrons späte Schaffensphase, mithin in die Zeit um 450 v. Chr. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Myron noch nach 440 v. Chr. Skulpturen kreiert hat.5 Myrons Tätigkeit verteilt sich auf viele verschiedene Orte, darunter etliche bedeutende Heiligtümer, etwa die Akropolis von Athen, das Heraheiligtum von Samos und das Zeusheiligtum in Olympia. Einen Schwerpunkt seines Schaffens bilden, wie auch im Fall seines Zeitgenossen Pythagoras,6 Statuen siegreicher Athleten, die in Olympia und in Delphi zur Aufstellung gelangt sind. In einem Schulpapyrus späthellenistischer Zeit wird Myron deshalb zusammen mit Lysipp, Polyklet und Phyromachos zu den bedeutendsten »Menschenbildnern« gezählt.7 Einen zweiten Schwerpunkt stellen offenbar Statuen von Heroen dar: Für Myron sind Skulpturen des Herakles, Perseus, Erechtheus und Tydeus bezeugt. Zum Œuvre Myrons zählen außer Bronzestatuen in Lebensgröße auch Kolossalstatuen – es handelt sich um eine Dreifigurengruppe, die im Heraheiligtum von Samos zur Aufstellung gelangt ist8 – sowie wohl auch ein kleinformatiges Werk, eine Statuette des Herakles (Kat. 5). Ob er außer der berühmten Kuh noch weitere Bildwerke geschaffen hat, über deren Sujet wir uns heute bei einem Schöpfer von opera nobilia eher wundern, ist durchaus unsicher.9 Mit einer – nicht gesicherten – Ausnahme, dem möglicherweise aus Holz gearbeiteten Bildwerk der Göttin Hekate,10 ist Myron ausschließlich als Bronzegießer bezeugt. Aus der häufigen Nennung in den Schriftquellen, oft zusammen mit Phidias und Polyklet, geht hervor, dass Myron eine der zentralen Künstlerpersönlichkeiten des 5. Jhs. v. Chr. gewesen ist. Er gehört zudem ebenso wie Kritios und Nesiotes, die Schöpfer der Tyrannenmördergruppe, zu den wenigen Bildhauern aus der ersten Hälfte des 5. Jhs. v. Chr., von deren »Handschrift« sich anhand von römisch-kaiserzeitlichen Kopien eine gewisse Vorstellung gewinnen lässt. Zwei Werke sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben: die Athena-Marsyas-Gruppe (Kat. 1) und der DiskusAbb. 1–2 Unbekannter Bildhauer: Kopie des myronischen Diskuswerfers, sog. Diskobol Lancellotti, Details Parischer Marmor, 2. Jh. n. Chr. Rom, Palazzo Massimo alle Terme, Inv. 126371
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