43 Abb. 1–3 Unbekannter Bildhauer: Statuette des Herakles Marmor, 2. Jh. n. Chr.; Boston, Museum of Fine Arts (hier im Dresdner Abguss: Inv. ASN 2225) 5 Statuette des Herakles Zu den Werken, die Myron geschaffen hat, wird seit geraumer Zeit auch ein kleiner Herakles gerechnet, den einige maßgleiche Repliken überliefern. Unter diesen sind zwei fast vollständig erhaltene Marmorstatuetten im Museum of Fine Arts in Boston und im Ashmolean Museum in Oxford, denen der etwa 50 cm große statuarische Typus seinen Namen verdankt: Herakles Typus Boston-Oxford (Abb. 1–4). Die Repliken gehen auf eine nicht mehr erhaltene, sehr wahrscheinlich aus Bronze gefertigte Statuette zurück, die einen muskulösen nackten Mann mit linkem Stand- und rechtem Spielbein zeigte, dessen Füße sich nah beieinander befanden. Die für die griechische Plastik seit dem zweiten Viertel des 5. Jhs. v. Chr. charakteristische ungleiche Verteilung der Körperlast auf die beiden Beine lässt sich gut an der Schrägstellung des Beckens ablesen. Im Bereich des Rumpfes wird die Schräge durch eine Kontraktion der linken Körperhälfte wieder ausgeglichen, was zur Folge hat, dass die Schulter dieser Seite etwas tiefer positioniert ist als diejenige der Spielbeinseite. Der bärtige Kopf ist deutlich zur Standbeinseite gedreht und außerdem gesenkt. Der rechte Arm ist unterhalb der Armbeuge etwas nach außen gedreht, was es dem Heros erlaubt, die Hand bequem auf der Keule abzulegen, die sich in vertikaler Position und mit dem oberen Abschnitt nach unten gerichtet neben dem Spielbein befindet. Der linke Oberarm ist gesenkt, der Unterarm angewinkelt und vorgestreckt. Die Repliken in Oxford und in Dion (Makedonien) geben zu erkennen, dass Herakles einen Bogen in der linken Hand hielt, welcher sich bei der zuletzt genannten Replik sogar weitgehend erhalten hat.93 Bei den übrigen Attributen, die da und dort auftauchen – ein erlegter Eber, eine Hirschkuh und das Fell des Nemeischen Löwen –, dürfte es sich hingegen um Beiwerk handeln, das sich die Kopisten ausgedacht haben, um auf bestimmte Taten des Herakles anzuspielen. Welche Rolle aber kommt dem Bogen zu, in dessen Richtung Herakles’ Blick geht? Im Unterschied zur Keule taucht er bei den wenigen großplastischen statuarischen Typen des Herakles, denen man in der römischen Kaiserzeit allerorten begegnet,94 gar nicht auf. Da diese statuarischen Typen jedoch ausnahmslos auf Originale zurückgehen, die
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