Leseprobe

44  Abb. 6 Unbekannter Bildhauer: Torso einer Statuette des Herakles; Marmor, 1. oder 2. Jh. n. Chr.; Göttingen, Archäologisches Institut, Inv. Hu 244 Abb. 4 Unbekannter Bildhauer: Statuette des Herakles Marmor, 2. Jh. n. Chr.; Boston, Museum of Fine Arts (hier im Dresdner Abguss: Inv. ASN 2225) Abb. 5 Unbekannter Bildhauer: Statuette des Herakles, Detail; Marmor, 2. Jh. n. Chr.; Madrid, Museo arqueológico, Inv. 33190 erst im 4. Jh. v. Chr. entstanden sind, muss der Bogen beim Herakles Typus Boston-Oxford nicht überraschen. Während Myrons Schaffenszeit ist er, wie beispielsweise aus etlichen attischen Vasenbildern hervorgeht,95 ein gängiges Attribut des Heros gewesen; der Hinweis auf eine der zwölf kanonischen »Taten« – wichtig war der Bogen bestimmten Mythenfassungen zufolge vor allem beim Erlegen der Stymphalischen Vögel – dürfte ihm nicht zu entnehmen gewesen sein. Aufgrund seines Stils wird der Herakles Typus Boston-­ Oxford in das mittlere 5. Jh. v. Chr. datiert.96 Für eine Zuschreibung des statuarischen Typus an Myron hat sich als erster der aus Dresden stammende Archäologe Paul Arndt (1865–1937) ausgesprochen, dem seinerzeit allerdings nur eine Replik, die heute in Boston befindliche, bekannt war (Abb. 1–4):97 »Es ist vor Allem die Behandlung des Kopf- und Barthaares, die für Myron charakteristisch ist, die kurzen, geringelten, an den Enden zusammengerollten Löckchen; aber auch die Bildung von Stirn und Augen und die Form des Schädels kehren im Besondern an den mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit auf diesen Meister bezogenen Werken wieder.« Dem ist wenig hinzuzufügen; wir werden weiter unten sehen, dass sich die Gestaltung des Bartes insbesondere mit derjenigen des sog. Münchner Königs (Kat. 9) gut vergleichen lässt, der indes nicht als Werk Myrons gesichert ist. Auch die Wiedergabe des Haupthaars findet etliche Entsprechungen bei der Statue in München, nicht hingegen bei dem fest im Œuvre Myrons verankerten Marsyas (Kat. 1). Die Überlieferung des statuarischen Typus zeichnet sich dadurch aus, dass außer den in der Größe übereinstimmenden sechs Repliken in Boston, Dion, Eretria, Göttingen (Abb. 6), Oxford und Rom auch leicht und deutlich verkleinerte Wiederholungen nachgewiesen werden können. Eine Statuette in Madrid wird ursprünglich über eine Größe von

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