Leseprobe

59 Abb. 2 Unbekannter Bildhauer: Kopie einer Statue des Myron Marmor, 1. oder 2. Jh. n. Chr.; Louvre Abu Dhabi (Dauerleihgabe des Musée du Louvre)  Abb. 1 Unbekannter Bildhauer: Kopie einer Statue des Myron, sog. Münchner König; pentelischer Marmor, 2. Jh. n. Chr.; München, Glyptothek (hier im Berliner Abguss, mit den historischen Ergänzungen) 9 Statuengruppe von Heroen Auf einen weiteren myronischen Heros, der sich jedoch nicht benennen lässt, kann vielleicht der statuarische Typus des sog. Münchner Königs zurückgeführt werden (Abb. 1).137 Dargestellt ist – in deutlicher Überlebensgröße – ein muskulöser nackter Mann mit linkem Stand- und rechtem Spielbein. Ersteres ist fast vertikal positioniert, was zur Folge hat, dass die Hüfte nur minimal zur linken Seite hin auslädt. Wie für viele Statuen seit der Zeit um 460/50 v. Chr. üblich, ist das Spielbein dergestalt entlastet, dass sein Unterschenkel zurückgenommen ist und der Fuß nur mit dem Ballen und einigen Zehen den Boden berührt. Dadurch kann der Betrachter den Eindruck gewinnen, die Figur halte gerade im Schreiten inne. Die ungleiche Verteilung der Körperlast auf die beiden Beine zieht eine Schrägstellung des Beckens nach sich, die im Bereich des Rumpfes durch eine Kontraktion der linken Körperhälfte ausgeglichen wird, und zwar in einem solchen Maß, dass die Schulter dieser Seite etwas tiefer positioniert ist als diejenige der Spielbeinseite. Der bärtige, mit einer Haarbinde geschmückte Kopf ist zur linken Seite gedreht und leicht gesenkt, der linke Arm in der Beuge so angewinkelt, dass der nach vorn geführte Unterarm eine annähernd horizontale Position einnimmt. Hand und Attribut sind verloren, was auch für den rechten Arm gilt, der, mit einer gewissen Anspannung versehen, an der Körperseite herabgeführt ist. Dass auch die rechte Hand etwas gehalten hat, geht daraus hervor, dass von der Außenseite des Oberschenkels ein neuzeitlich weitestgehend abgearbeiteter Steg seinen Ausgang nahm, der aufgrund seiner Position und seines großen Durchmessers nur mit einem Attribut in Verbindung gestanden haben kann. Der Münchner König geht auf eine griechische Bronzestatue zurück, die man anscheinend nur selten abgeformt und kopiert hat. Erst im Jahr 1988 ist eine in Capua gefundene Kopfreplik bekannt geworden. Sie stimmt mit dem Münchner König in der Größe und in allen Einzelheiten der Frisur überein und ist ebenso wie dieser im 2. Jh. n. Chr. angefertigt worden.138 Der statuarische Typus kann an dieser Stelle außerdem auch noch um eine Torsoreplik in Abu Dhabi erweitert werden, die von höchster handwerklicher Qualität ist (Abb. 2).139 Sie dürfte sich von der Münchner Statue unter anderem dadurch unterschieden haben, dass ihr Bart fehlte, auch wenn ohne Autopsie nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass Überbleibsel eines Bartes im Rahmen der neuzeitlichen, heute nicht mehr vorhandenen Ergänzung des Torsos abgearbeitet worden sind.140 Zu den

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