Leseprobe

61 Weise wiedergegeben sind. Ersichtlich ist allerdings auch, dass die Form des Bartes beim Herakles altertümlicher anmutet als beim Münchner König, was dafür spricht, einen nicht zu kleinen Abstand zwischen den Entstehungszeiten beider Bildwerke zu postulieren, für den auch die Unterschiede im Standmotiv sprechen. In der Haargestaltung erweist sich auch der Marsyas (Kat. 1) als ein enger Verwandter des Münchner Königs, jedenfalls dann, wenn man seine Pubes (Abb. 7 und Abb. S. 55) in die Betrachtung einbezieht. Einem mit demjenigen des Münchner Königs vergleichbaren Duktus der Haarwiedergabe begegnet man zudem bei einem weiteren für Myron gesicherten Werk, dem Diskobol (Kat. 10). Dort und beim sog. Amelungschen Athleten (Kat. 11) ist das Haar aber fast durchgehend erheblich kleinteiliger aufgefasst als bei der Statue in München und ihrer Replik in Capua. Im Hinblick auf die Bartgestaltung besitzen die hier ausgeführten Vergleiche auch für den Kopftypus Berlin-Athen (Abb. 3–4) Geltung. Schläfen- und Kalottenhaar dieses Kopftypus entsprechen hingegen nicht dem, was als charakteristisch für myronische Werke angesehen werden darf. Das Kalottenhaar erinnert an dasjenige des sog. Tiberapollon, dem ein Bronzeoriginal aus dem mittleren 5. Jh. v. Chr. zugrunde liegt,150 und das Haupthaar an den Kopfseiten an dasjenige des Apollon Typus Kassel, der gleichfalls auf ein Original aus dieser Zeit zurückgeht.151 Abb. 7 Unbekannter Bildhauer: Kopie einer Statue des Myron, sog. Münchner König, Detail; pentelischer Marmor, 2. Jh. n. Chr. München, Glyptothek (hier im Dresdner Abguss: Inv. ASN 2731) Repliken ist zudem wohl auch eine kopflose Statue zu zählen, die im Archäologischen Museum in Theben aufbewahrt wird.141 Ihr Bildhauer hat die Kopie um ein Schwertband bereichert, das diagonal über den Oberkörper geführt ist. Nachdem Furtwängler 1893 vorgeschlagen hatte, im Münchner König das Werk eines in der Zeit um 460 v. Chr. tätigen argivischen Bildhauers zu erkennen,142 hat Arndt einige Jahre später auf die Übereinstimmungen hingewiesen, die zwischen der Münchner Statue und dem kleinformatigen Herakles Typus Boston-Oxford (Kat. 5) bestehen.143 Von Lippold ist der Münchner König dann aber 1917 und noch 1950 irrtümlich als eine klassizistische Kontamination angesehen worden, was zur Folge hatte, dass Arndts kunsthistorische Einordnung für längere Zeit in Vergessenheit geriet.144 Lippold vertrat die These, dass eine Büste in Berlin (Abb. 3–4)145 den Kopf des Originals getreu wiedergebe, während der Bildhauer der Münchner Statue versucht habe, den Stil des Originals in der Haargestaltung (Abb. 5–6) und auch in anderen Punkten zu verändern. Da mittlerweile sowohl zum Kopf der Münchner Statue als auch zum Berliner Kopf jeweils eine weitere Replik nachgewiesen werden konnte, ist Lippolds Vermutung jedoch obsolet.146 Die Gemeinsamkeiten, die zwischen dem Münchner König und dem Kopftypus Berlin-Athen bestehen, bleiben freilich bemerkenswert. Beide Werke stimmen nicht nur in der Größe, in der Art der Haarbinde und im Habitus überein, sondern auch darin, dass die Lockendisposition des Bartes etliche Entsprechungen aufweist, was insbesondere bei einer Betrachtung der rechten Profile ins Auge fällt. Man darf daher vermuten, dass die Originale zu einer Gruppe gehört haben, die mehrere Statuen von der Hand desselben Bildhauers umfasste.147 Um sich die Arbeit zu erleichtern, hat der Bildhauer anscheinend bestimmte Partien eines Tonmodells mehrfach verwendet. Anhaltspunkte für eine solche Vorgehensweise finden sich auch im Œuvre von Myrons jüngerem Zeitgenossen Polyklet.148 Die erstmals von Arndt, später auch von Barbara Vierneisel-Schlörb149 befürwortete Bestimmung des Münchner Königs als Kopie einer von Myron geschaffenen Bronzestatue lässt sich insofern gut nachvollziehen, als der statuarische Typus in der Disposition von Bart- und Kalottenhaar dem Herakles Typus Boston-Oxford (Kat. 5) nahesteht. Bei einem Vergleich der Profile erkennt man in den Bärten hier wie dort hakenförmige Strähnengruppen, die in ganz ähnlicher

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