Leseprobe

122 ANCHER ANNA ANCHER, geb. als Anna Kirstine Brøndum Skagen/DK 1859 —1935 Skagen/DK Anna Ancher war die einzige unter den Skagen-Malern, die in Skagen geboren und aufgewachsen ist. Im Gasthaus ihrer Eltern logierten und feierten viele der Skagen-Künstler. So kam sie früh in Berührung mit deren Kunst. Da ihr als Frau ein Kunststudium an der Kopenhagener Kunstakademie versagt war, erteilte ihr zunächst Karl Madsen in Skagen Unterricht im Zeichnen und Malen. Drei Winter lang, von 1875/76 bis 1877/78, besuchte sie im Anschluss Vilhelm Kyhns Malschule für Frauen in Kopenhagen. Die Winter verbrachte sie in der dänischen Hauptstadt, die Sommer in Skagen. Bereits im Alter von 14 Jahren hatte sie ihren späteren Ehemann, den Skagen-Maler Michael Ancher (s. d.), kennengelernt, mit dem sie sich 1878 verlobte; die Ehe wurde 1880 geschlossen. Im selben Jahr debütierte sie auf der Frühjahrsausstellung in Schloss Charlottenborg und wurde schnell als erfolgreiche Künstlerin anerkannt. 1883 wurde ihre Tochter, die spätere Skagen-Malerin Helga Ancher, geboren. 1888/89 studierte sie zusammen mit Marie Triepcke (s. d.), der späteren Ehefrau von Peder Severin Krøyer (s. d.), im Pariser Atelier von Pierre Puvis de Chavannes. 1889 besuchte sie auch die Pariser Weltausstellung. Da sie nicht nach dem akademischen Kanon unterrichtet worden war, konnte sie sich von Beginn an freieren und fortschrittlicheren modernen Themen stellen und sich früh impressionistischen Strömungen öffnen. Christian Krohgs starker Kolorismus und Krøyers Lichtmalerei beeinflussten sie sehr. So wurden Licht und Farbe auch bei ihr zu Trägern ihrer Kunst und sie erreichte eine große koloristische Meisterschaft. Ihr Motivspektrum kreiste um die Skagener Lebenswelt, besonders die der Frauen und Kinder. Sie gilt als eine der modernsten Malerinnen ihrer Zeit; ihre besonders nach 1900 geschaffenen Werke spiegeln einen zunehmenden Abstraktionsprozess wider. Lit.: Kat. Anna Ancher. Statens Museum for Kunst/Skagens Museum/Lillehammer Kunstmuseum, Odder 2020; Kat. Anna Ancher. Sonne Licht Skagen, hg. von Ulrike Wolff-Thomsen, Köln 2022. Sommerabend, undatiert bez. u. r.: A. Ancher / Öl auf Leinwand / 40 × 60 cm Sammlung Familie Fielmann Abb. S. 49 Anna Ancher bietet mit der jungen Frau in Rückansicht eine Bildfigur an, in die sich der Betrachter hineinversetzen kann. Wie diese möchte man die Ruhe, von der die flache Skagener Heidelandschaft im milden abendlichen Licht erfüllt ist, genießen. Das breite Bildformat und die Farbgebung unterstützen die Wirkung. Ursprünglich hatte Ancher eine zweite, männliche Figur vorgesehen, die der jungen Frau am Zaun gegenüberstand und sie anblickte. Mit diesem Verzicht hat sich die Bildaussage gänzlich verändert.

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