Leseprobe

157 Dünenlandschaft bei Skagen, undatiert bez. u. r.: C. Locher / Öl auf Malpappe, auf Leinwand aufgezogen / 28 × 48 cm Museum Kunst der Westküste Abb. S. 75 In Dünenlandschaft bei Skagen richtet Locher den Fokus auf die imposanten Skagener Dünen. Als einziges zivilisatorisches Zeugnis hilft das am rechten Bildrand liegende Holzwrack, die Monumentalität der bis zu 30 Meter hochaufragenden Dünen zu erfassen. Die wenigen weißen Wolken, die am hellblauen, sommerlichen Himmel aufziehen, verursachen ein lebendiges Licht-Schattenspiel im Sand am Dünensaum. Locher stellt sich der Herausforderung, die grellen Lichtverhältnissen, wahrscheinlich zur Mittagszeit bei sehr hochstehender Sonne, einer blendend hellen Landschaft zu visualisieren und ihr zugleich Kontur und Plastizität zu verleihen. Im Rückblick schreibt er selbst über die Anfänge der Skagener Künstlerkolonie: »Wir hatten keine Theorien, wußten eigentlich nicht, was Kunst war, denn wir hatten ja fast noch nichts gesehen. Ancher, Carl Madsen, […] Tuxen und mehrere andere waren auch nachgekommen. Wir malten den ganzen Tag in Sonne, Regen und Sturm. Wir malten, was wir sahen und so, wie die Dinge zu uns sprachen – es kommt mir jetzt vor, als hätten wir nie wieder so gut gemalt.« (Voss 1995, S. 33.) Genau diese Arbeitsweise und die naturalistische Auffassung erkennen wir in dieser Dünenlandschaft: Das zu malen, was man sieht, ist hier zu Lochers Maxime geworden. Die lockere, deutlich ablesbare Pinselschrift und die akzentuiert gesetzten Formulierungen der Vegetation sprechen, neben dem relativ handlichen Format, für eine unmittelbare Umsetzung des Motivs direkt am Strand. Es ist nicht viel Fantasie vonnöten, sich den dänischen Künstler mit Strohhut, Staffelei und Farbpalette bei strahlendem Sonnenschein am Skagener Strand vorzustellen. MUNCH EDVARD MUNCH Loten, Hedmark/NOR 1863—1944 Ekely/NOR Seit 1864 in Christiania aufgewachsen, wurde Munchs Kindheit vom frühen Tod seiner Mutter (1868) und dem seiner älteren Schwester (1877) sowie von der depressiven Veranlagung seines Vaters überschattet. Er selbst litt oftmals unter rheumatischem Fieber. Von 1880 bis 1882 besuchte er die Königliche Zeichenschule. Mit anderen Künstlern unterhielt er eine Ateliergemeinschaft; Christian Krohg, der im selben Haus wohnte, führte ihn in die Christiania-Bohème um den umstrittenen Schriftsteller Hans Jæger ein und erteilte ihm Unterricht. 1883 besuchte Munch die Freilichtakademie seines Cousins Frits Thaulow in Modum. Sein Ausstellungsdebüt feierte er 1883. 1885, nach seinem Paris-Aufenthalt, entfremdete er sich zunehmend von der naturalistischen Malweise, die sein Frühwerk bestimmt hatte. 1886 entstanden seine ersten ikonischen Werke wie Das kranke Kind, Pubertät und Der Tag danach. In den späteren 1880er- Jahren werden seine Farb- und Formgebung immer mehr zum Ausdrucksträger von Stimmungen. Während seines Aufenthalts in Paris von 1889 bis 1892, wo er die Kunstschule von Léon Bonnat besuchte, setzte er sich mit der Kunst von Paul Gauguin und Vincent van Gogh auseinander. Seine Themen kreisten vielfach um Liebe, Angst und Tod. Eine Einzelausstellung, die im Herbst 1892 in Berlin auf Einladung des Vereins der Berliner Künstler zustande kam, wurde nach nur

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