13 Nach außen blicken, nach innen erkennen. Vier Werkserien von Nicolai Howalt Katrin Hippel Der Mensch ist ein forschendes, ein stetig suchendes und reflektierendes Wesen. Er ist getrieben von einem unstillbaren Drang, die Welt zu vermessen, ihre Gesetze zu entschlüsseln und seine eigene Position im Universum zu bestimmen. „Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen“, konstatierte in der Antike der griechische Universalgelehrte Aristoteles (Metaphysik, Buch I). „Ich denke, also bin ich“, formulierte in der Frühen Neuzeit der französische Philosoph René Descartes (Meditationes de prima philosophia). Descartes fand so immerhin eine Gewissheit, geboren aus seiner deprimierenden Feststellung, dass die Wahrnehmung des Menschen darüber hinaus in tiefen Zweifel gezogen werden muss. Doch über kaum etwas herrscht so viel Einigkeit wie darüber, dass der Mensch ein Wesen ist, das verstehen will. Gleichzeitig aber ist der Mensch schwer beladen mit der Bürde, um seine eigene Vergänglichkeit zu wissen. Die Zeit ist ultimativ sein Gegner – dessen ist er sich schmerzlich bewusst. Doch es scheint, als erweise sich gerade das, was als die große Tragik einer Spezies gelten könnte, als ihr Antrieb. Der Mensch schafft Bilder, um sich selbst zu vergegenwärtigen, er zeichnet Karten, um seine Umwelt zu erfassen, und er entwickelt Theorien, um ihre Gesetzmäßigkeiten zu begreifen. Er tut dies, um das nicht mit den Sinnen Erfahrbare verständlich zu machen – um zum Beispiel das Nicht-Sichtbare vor Augen zu führen. Und er tut dies vielleicht auch, um einen wohligen Schauder zu erleben, wenn es gelingt. Sein Wissensdrang treibt ihn an, die Grenzen des Bekannten immer weiter zu verschieben. Die Fotografien des dänischen Künstlers Nicolai Howalt sind genau in diesem Spannungsfeld von Wissbegierde und Reflexion zu verorten. Howalt sucht in seinem Werk den Schulterschluss mit der Wissenschaft und ihrer Geschichte. Dabei sind seine Aufnahmen mehr als Medien der Abbildung einerseits und mehr als ein ästhetischer Selbstzweck andererseits. Seine künstlerische Arbeit ist oft eine Untersuchung der uns umgebenden Bedingungen und ihrer jeweiligen Forschungswege. Das visuelle Ergebnis schürt dabei nicht zuletzt existenzielle Betrachtungsweisen. Doch hier sei innegehalten. Mit dieser Aussage wurden bereits einige Schritte übersprungen. Um nachvollziehbar zu machen, was sie bedeuten soll, beginnt diese Beschreibung mit einem Blick nach oben.
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