202 zwei Pferden nach Torgau transportiert und erst vor Ort zusammengesetzt. Denn eine solche Bronzetafel mit den Torgauer Dimensionen (332 × 184 × 16 cm) konnte weit über 2 000 Kilo wiegen.6 Von wem der künstlerische Entwurf der Tafel stammt, ist unklar; in der einschlägigen Forschungsliteratur werden die Hilligers, ein anonymer Augsburger Künstler, der Nürnberger Peter Flötner oder der ebenfalls anonyme Meister des Dresdner Georgentors angegeben.7 Es ist indessen naheliegend, bei einem solch hochrangigen kurfürstlichen Auftrag an den Hofdesigner und -maler Lucas Cranach zu denken. Eine Zusammenarbeit der Freiberger Gießhütte mit der Wittenberger Werkstatt Cranachs ist zum Beispiel bei »Bildnissen« auf Kanonen belegt,8 sodass eine Kooperation bei der Gestaltung der Torgauer Tafel nicht unwahrscheinlich erscheint. Cranach war in den Herstellungsprozess eingebunden, denn seine Mitarbeiter waren bei der Aufrichtung der Tafel in der Kapelle dabei, um die bereits erwähnten Vergoldungen vorzunehmen und bei dem Zusammensetzen der 25 Einzelteile, die ganz präzis gegossen sein mussten, um wie ein Puzzle zusammengesteckt werden zu können, an den Fugen vielleicht Risse etc. farblich zu kaschieren. Von Bronzetafeln und Titelblättern: Überlegungen zum künstlerischen Entwurf durch die Cranach Werkstatt Eingerahmt wird die Tafel in symmetrischem Aufbau von Sockeln, Pilastern und Gebälk, die im Flachrelief eine überbordende Fülle an Tieren, Menschen und Pflanzen aufzeigen, an Widdern, Delfinen, Löwenköpfen und Stierschädeln sowie an Engeln, die in den vier Ecken die sächsischen Wappen tragen. Bei der Frage nach dem Entwerfer der Bronzetafel ist der aufmerksame Blick bislang ausschließlich auf die Porträtmedaillons gerichtet gewesen. Vielleicht eröffnet aber auch die Gesamtkomposition eine neue Perspektive auf die Autorschaft, denn sie erinnert an Titelblätter mit aufwändigen Rahmungen, wie sie vielfach von der Cranach-Werkstatt entworfen wurden. Wittenberg war im 16. Jahrhundert dank der hohen Produktivität der reformatorischen Autoren, an ihrer Spitze Luther und Melanchthon, zweifelsohne das boomende Druckzentrum DeutschAls der Mathematiker und Geograf Tilemann Stella 1560 Torgau besuchte, konzentrierte er sich auf die Schlosskapelle, die für ihn mit Blick auf eine mögliche architektonische und gestalterische Vorbildlichkeit im Zentrum stand. Detailliert bieten seine Skizzen in seinem erhaltenen Tagebuch Einblicke in die Kubatur, die Struktur und die Ausstattung der Schlosskapelle.2 Nach der Skizze von Kanzel, Altar und Orgel folgt auf eineinhalb Seiten die eingehende Vorstellung der bronzenen Stiftertafel, die zu jener Zeit einen weitaus bedeutenderen Ort einnahm als heute (Abb. 1). Denn erst 1914 wurde sie infolge von Umbauarbeiten an der schmalen Ostseite der Kapelle platziert, also quasi im Rücken der auf Kanzel und Altar orientierten Blicke.3 Zuvor besaß sie entsprechend ihrem Rang als prächtige Stifter- und Ereignistafel einen zentralen Platz links vom Altar an der schrägen Wand des Kapellenturms. Die eigenhändige Skizze der Bronzetafel, ihre Beschreibung und insbesondere die vollständige Abschrift ihres Textes nehmen bei Stella einen weitaus größeren Platz ein als etwa der Altartisch oder die Kanzel, sodass ihre Bedeutung für diesen frühen Besucher unhinterfragt und offensichtlich war. Verstehen konnte und wollte er die Schlosskirche nur als Gesamtkunstwerk aus Architektur und Ausstattung, aus Bildwerken und Texttafeln. Die Herstellung der Bronzetafel Die bronzene Tafel besteht aus 25 Einzelteilen und wurde erst im Lauf des Jahres 1545 hergestellt, wie die Jahreszahlen an den Bildnismedaillons eindeutig belegen. Die Planungen dazu starteten aber bereits in den Wochen der feierlichen Eröffnung, also im Oktober/November 1544, da die versifizierte Inschrift zu dieser Zeit schon vorlag. Die Tafel war also von Anfang an in das Bild- und Ausstattungskonzept der Schlosskapelle eingebunden. Der Herstellungsprozess zog sich allerdings über Monate hin, wie die Abschlags- und Auszahlungen an die beteiligten Handwerker nachweisen; die letzte belegte Zahlung erfolgte für Arbeiten der CranachWerkstatt zwischen Ende Januar und Mitte März 1546, nämlich für die Vergoldung der bronzenen Tafel.4 Demnach war sie erst rund eineinhalb Jahre nach Luthers feierlicher Einweihung der Kapelle vollendet und vor Ort gebracht. Kunsthistorisch gilt sie dank ihrer Bildnisse, Wappen und Architekturelemente als ein Höhepunkt sächsischer Plastik, hergestellt von zwei Vertretern der bekannten Freiberger Glocken- und Geschützgießerfamilie Hilliger (oder Hilger), Wolfgang und Oswalt.5 Nach einer Gesamtskizze der Tafel wurden die 25 Einzelteile getrennt gefertigt, zunächst 1:1 gezeichnet, dann als Holzmodel ausgearbeitet und gegossen. Sie wurden in Freiberg in der Gießhütte der Hilligers, die einen guten Ruf auch über Sachsen hinaus besaß, hergestellt und von dort von einem Fuhrmann mit Johann Friedrich lässt sich hier als tatkräftiger Bauherr und Schutzherr des Protestantismus feiern.
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