55 Tal der Arbeit Kaum eine andere Stadt Sachsens bot eine derart dichte Industrielandschaft wie Freital. Von Steinkohle und Wasserkraft befördert, entwickelte sich das seit 1855 an das Eisenbahnnetz angebundene Weißeritztal zum industriellen Ballungsraum. Dessen früheste Unternehmen wie die Hagen’sche Glashütte (1802), die Chemiefabrik Reichardt (1821), das von das Freiherrlich von Burgker Eisenhüttenwerk (1827), die Türkischrot-Garnfärberei Römer (1836), die Papierfabrik Thode (1838) oder die Samtfabrik Berndt (1844) fußten dabei größtenteils auf sächsischen Pionierleistungen. Mit der Gußstahlfabrik Döhlen kam 1855 die Schwerindustrie dazu, Maschinenbau und Metallverarbeitung folgten – nach 1900 auch feinmechanische, pharmazeutische, lederverarbeitende und Lebensmittel-Sparten. Während des Nationalsozialismus produzierte man auch in Freital zunehmend Rüstungsgüter, z. B. Munitionshülsen, Glasminen, Panzerlüfter oder Mineralöl-Komponenten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs brach die Wirtschaft durch Demontage und Reparation ehemaliger Rüstungsbetriebe fast vollständig zusammen. Mit verhaltener Produktion wurde Freital nach 1946 wieder zum bedeutenden Industriestandort für Stahl, Glas, Papier und Werkzeugmaschinen. Zur industriellen Vielfalt zählten ebenso Verpackungsmaschinen, Fördertechnik, Pumpenanlagen, Laborgeräte, Kameras, Luxusporzellan oder Buntgarn. Als wichtigster Wirtschaftsfaktor galt der aus der Gußstahlfabrik hervorgegangene VEB Edelstahlwerk »8. Mai 1945«, der unter Anwendung innovativer Primär- und Sekundär-Schmelzverfahren, z. B. mit Lichtbogen-, Plasma- oder Elektronenstrahl-Öfen, über 600 Stahlmarken herstellte und damit 17 Länder auf drei Kontinenten belieferte. Zu den Schattenseiten der »Stadt der roten Wolke« zählten ökologische Schäden wie Landschaftszerstörung und Luftverschmutzung, deren Beseitigung erst in den Transformations- und Revitalisierungsprozessen der Gegenwart gelang. Das nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der 1990er-Jahre als »graue Industriebrache« stigmatisierte Freital präsentiert sich heute als traditionsbewusster, moderner Wirtschaftsstandort. JP Abb. 45 Pokalvase mit Potschappel-Ansichten von 1910 (Fonds) und 1830 (Sockel) · Sächsische Porzellanfabrik Potschappel, 1923, III/66/2802/A Abb. 46 Fabrikationskatalog und Leder-Verkaufsmuster · Lederfabrik Sohre/Deuben, um 1920, III/2024/4/H ◄
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