Leseprobe

6 früh formulierte, um auf die politischen Prozesse, die zu dieser Gewalt führen, einzuwirken und sie zu verhindern. Das vorliegende Buch ist ein Meditationsbuch – nicht einfach zum Durchlesen und dann weglegen. Es will auch in seinen Zwischenräumen be- und durchdacht werden. Das Besinnen auf die Fotos lässt wichtige Fragen aufsteigen. Welche Gefühle hat eine amerikanische oder britische Familie auf einem Soldatenfriedhof des Zweiten Weltkriegs in Europa? Deren Großväter oder Vorfahren sind gefallen, weil sich ihre Länder Hitlerdeutschland und dem massenmörderischen und genozidalen Vernichtungskrieg im Osten entgegenstellten und uns Deutsche schließlich vom Nationalsozialismus befreiten. Und wie stehen wir Deutschen zu den in den letzten 35 Jahren auch im Osten Europas geschaffenen Sammelfriedhöfen der Deutschen? Dort liegen unsere Väter und Großväter, um die unsere Familien trauerten (in der DDR dies aber nicht zeigen durften oder konnten). Gleichzeitig gilt aber auch: Dort liegen die, die diese Schrecken anrichteten. Auf den Friedhöfen gibt es dazu keine Aussagen. Warum wird auf den deutschen Friedhöfen nicht auch auf die Opfer der dort liegenden Toten verwiesen, der Millionen von Zivilisten in den jeweiligen Ländern, der Juden, Roma und Sinti, um nur diese zu nennen? Auf diesen Sammelfriedhöfen liegen aber auch gar nicht so wenige Opfer der Wehrmachtsjustiz, die an irgendeiner Stelle dann doch »Nein« sagten, etwa einen Befehl verweigerten. Es werden (bis auf Ausnahmen) keine Unterschiede gemacht, nicht einmal das Problem wird benannt. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erleben große Landstriche im Osten Europas wieder einen furchtbaren Krieg. Die russischen Angreifer folgen den Befehlen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der in verdrehter Weise die Erinnerung an den damaligen Krieg zur heutigen Kriegsbegründung ummünzt. IST KRIEG GLEICH KRIEG? Wir in Deutschland zogen als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg und seinen Verbrechen: Nie wieder! Es brauchte lange Jahre, ja Jahrzehnte, bis in Deutschland die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für den mörderischen Zweiten

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