Mareike Hennig Freiräume. 110 Möglichkeiten der Welt zu begenen Der Freiraum des privaten Sammelns besteht in der Unabhängigkeit von einem vorgegebenen Sammlungskonzept und in der Möglichkeit, Perspektive und Thematik selbst zu bestimmen. Wie Alfred Lichtwark es fasste, bewirkt hier »die individuelle Leidenschaft des Kunstliebhabers seinen persönlichen Ausdruck in Inhalt, Form und Gestaltung«.1 In privaten Sammlungen wird Kunst in vielfacher Weise, doch stets mit eigenem Zugriff zusammengebracht. Mit seiner Sammlung offenbart jeder Sammler auch persönliche Fragestellungen, etwa an eine Epoche, und zuweilen offenbart er überdies ein großes, aus Interesse und hoher Motivation erworbenes, kontinuierlich ausgebautes Fachwissen. So auch in der Sammlung Stephan, die sich in den letzten Jahrzehnten erst leise, inzwischen unüberhörbar zu einer Sammlung von herausragender Qualität, erstaunlicher Geschlossenheit, eigenem Charakter und nicht zuletzt großer Schönheit entwickelt hat. Der Freiraum des privaten Sammelns hat auch eine Kehrseite: Privatsammlungen gehören zu den blinden Flecken im Wissen um die Kunst. Wenig gesehen und oft nur fragmentarisch publiziert, entziehen sie sich Öffentlichkeit und Wissenschaft gleichermaßen. Dass Museen als Orte der Sichtbarmachung diese verborgenen Schätze inzwischen häufiger nicht mehr nur als einzelne Leihgaben präsentieren, mag mit einem gewandelten Selbstbild der Institutionen zu tun haben. Das Abrücken von einem exklusiven Verständnis musealer Sammlungen führt dazu, auch bislang eher ungewöhnliche Formate zu zeigen. Damit gerät in den Blick, was nicht genuin für öffentliche Sammlungen entstand, was aber Publikum und Wissenschaft vermehrt interessiert: der nicht institutionalisierte Zugriff auf die Welt, die persönliche Handschrift, die Bilder des Erprobens. Ihnen spürt die Sammlung Stephan nach. Sie legt ihr Augenmerk dabei auf die Kunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, beachtet aber auch
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