13 12 deren Bildraum getrennt durch eine gerade verlaufende, helle Mauer, davor ein karger Sandtreifen. Nahezu abstrakt, doch von immenser Suggestionskraft (Kat.-Nr. 84). In diesen Formaten beweist sich zuweilen ein genauer Detailblick und eine Sensibilität für Materialität oder Atmosphären, die in den ausgeführten Galeriewerken der Maler auf diese Weise keinen Raum haben. Andreas Achenbach, einer der bekanntesten Künstler der Düsseldorfer Malerschule, war mit Hafenansichten und Seestücken überaus erfolgreich. Meist waren diese groß, gern dramatisch. Seine kleine Wasserstudie zeigt das grundlegende Element seines Genres in nahezu intimer Weise (Kat.-Nr. 106): Dies Wasser ist denkbar unspektakulär, ein genauer Blick auf seichte Wellen an einem Ufer, örtlich nicht definiert, aus subjektiver Perspektive schnell festgehalten. Achenbach kommt seinem bevorzugten Element hier malerisch nahe und offenbart eine feine Handschrift. Diese Arbeiten eröffnen ein Grenzgebiet zwischen »privaten« und »öffentlichen« Werken. Gemälde, Ölstudien und Zeichnungen dieser Art gehörten bereits zum Zeitpunkt ihres Entstehens in einen Zwischenbereich – einen Freiraum – zwischen kommerzieller Ware und privatem Fundus. Sie kursierten durchaus unter den Künstlern und wurden auch von ersten Sammlern gesucht. Der Freiraum der Person In einer Zeit großer politischer, gesellschaftlicher und ästhetischer Umbrüche und Öffnungen begann eine Suche nach dem, was die freie Kunst und den freien Künstler ausmachen könnte. Die vielfältigen inhaltlichen Freiräume der Kunst korrespondierten mit der Lebensrealität der Künstler, die sich aus festgefügten Strukturen lösten, unterwegs waren – frei und ungesichert zugleich und damit notwendig wagemutig. Ihr ambivalenter Zustand, der Leichtigkeit und Bodenlosigkeit gleichermaßen mit sich brachte, ist in der Sammlung Stephan spürbar und bringt eine Direktheit mit sich, die das Publikum bis heute trifft. Bestimmt der Künstler selbst, mit wem er in Olevano, im Voralpenland, in den Albaner Bergen gemeinsam arbeitet und entzieht er sich dem Hierarchie-Diktat der Techniken, so tritt schließlich zwingend die eigene Person als Faktor in das Bild ein. Ein Absehen von der eigenen Perspektive ist kaum möglich und so leiht der Künstler dem Betrachter die eigenen Augen, zieht ihn an die eigene Seite. Zeitgenössisch sind diese Betrachter oft andere Künstler. Ihre enge Verbindung untereinander und der intensive Austausch, in dem ihre Werke entstehen, sind bemerkenswert. Neben stabileren Gruppen wie den Lukasbrüdern sind es Freundschaften wie die von Ernst Fries und Camille Corot oder die gemeinsamen Studien von Franz Catel, Johan Christian Clausen Dahl und Wilhelm Huber. Der Freiraum der selbst gewählten Gesellschaft zeigt sich in der Sammlung Stephan ebenso deutlich wie die Internationalität der Szene mit Deutschen, Franzosen, Schweizern, Dänen und Norwegern. Das künstlerische Erfassen der Welt entwickelte sich nicht innerhalb nationaler Gruppen. Neugier und die Bekanntschaften der Künstler untereinander machten ihre Werke durchlässig für Neuerungen. Zudem zeigt die Sammlung, dass erst das Nebeneinander von berühmten und weniger bekannten Namen ein komplexes Bild ergibt. Die Sammlung verdeutlicht die Beziehungen von Künstlern, die zur gleichen Zeit an gleichen Orten mit den gleichen Themen befasst sind, die miteinander reisen, zeichnen und malen. Gemeinsam ergeben ihre Werke ein dichtes Geflecht von Blicken in die Welt. 1 Zitiert nach Ausst.-Kat. Hamburg/Paris 2016, S. 7. Lichtwark, Direktor der Hamburger Kunsthalle von 1886 bis 1914, analysierte in diesem Text die verschiedenen Typen und Intentionen von Sammlern. Ausführlich: Lichtwark 1922 [verfasst 1912]. 2 Vgl. zum konkreten Vorgehen der Maler in der Natur: Ger Luijten, Painting in Nature, in: Ausst.-Kat. Washington/ Paris/Cambridge 2020, S. 43–55, sowie den Aufsatz von Alexander Bastek im vorliegenden Band. 3 Die Anfänge der Freilichtmalerei werden im vorliegenden Band mehrfach thematisiert. Vor allem in Frankreich und England ist sie bereits im 18. Jahrhundert verbreitet, öffentliche Anerkennung gewinnt die Freilichtmalerei aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem an dessen Ende. Vgl. dazu Ausst.-Kat. New York 2013 sowie die Aufsätze von Alexander Bastek und Mechthild Fend im vorliegenden Band. 4 B ekannt sind etwa die Freundschaft und das gemeinsame Arbeiten im Freien von Ernst Fries und Camille Corot. 5 Dazu ausführlich die Aufsätze von Peter Prange und Andreas Stolzenburg im vorliegenden Band. 6 Vgl. hierzu den Aufsatz von Lisa von der Höh im vorliegenden Band. 7 Vgl. hierzu den Aufsatz von Nina Sonntag im vorliegenden Band.
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