Leseprobe

40 1909 Brief an Rosa Schapire vom 28. April 1909 7 Seiten, 3 Zeichnungen Tusche 21,3 × 13,7 cm Altonaer Museum, Hamburg (6 Seiten) und Smlg. Gerhard Wietek (1 Seite) Text: »Roma, 28. Apr. 09/Liebes Fräulein Schapire, ich benutze eine gezwungen – frei[e] Zeit – zu einem Brief für Sie. Das Modell ist wieder einmal nicht gekommen, trotz versprechen und draussen ist schwerer Südwind, Regengüsse und drückende Schwüle. Der Druck auf das Gehirn nimmt an solchen Tagen bedenklich zu und ich muss Ablenkung suchen. Vorige Woche war ich in Neapel. Das Museo nazionale hat sehr feine Sachen; unter den pompei.[anischen] Ausgrabungen/und in der Gemäldesamlg. 2 sehr intressante Tizian. Das Leben der Stadt ist eigenartig – die Ziegenherden und Kühe auf den Strassen und die Menschen – es ist alles sehr volkstümlich, Rom dagegen gross städtischer, vornehmer mit feineren Menschen, Toiletten, Bewegungen. In Neapel hört das Strassenleben mit mittl. [erem] Bürgerstand fast auf; nach abwärts aber umso reicher./Es giebt da Typen, eine feste Form, die man immer wieder sieht; das giebt etwas stilisiertes – etwa wie eine Japanerin – so hier das hoch aufgesteckte Haar – blond und das Gesicht bleich, grau dazu zerlumpt. Dann die Weiber mit den hellen Haaren und der gesund braun gebrannten Haut und schließlich schwarze, dunkle: ›Mora‹. Das Leben ein tolles Durcheinander, laut lärmend, dicht gedrängt Menschen/in manchen Gassen um die Verkäufer, Musik, Klavierorgeln, Phonographen, hier und da auch noch mal ein Sänger oder Mandolinenspieler. Daneben 6 Stock hohe Kästen – Hotels in St. Lucia, am Meer. Schließlich das Hafenleben; der Typ der Auswanderer wie in Bremen oder Hambg., die Arbeiter mit den Kleidersäcken und Läden und Kästen. Die Fischer und Fischverkäufer./In Rom bleibe ich noch bis Ende Mai und fahre dann über Florenz nach Dresden, wo ich zur Einrichtung unserer Ausstellung bei Richter am 12. Juni sein soll und möchte. Hoffentlich kann ich im August, od. September nach Dangast gehen, um den Herbst am Meer zu arbeiten. Durch ein Brückenrundschreiben erfuhr ich, dass Sie wieder eine ganze Anzahl neuer p.M. [passive Mitglieder] gewonnen haben; das ist ja sehr fein./Eine andere sehr gute Nachricht bekam ich von Pechstein, dass von ihm 3 Sachen von der berl.[iner] Secession genommen worden sind; das ist,

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