18 Zur Geschichte der Postkarte 1870 wurde die kleinformatige Mitteilungskarte, damals »Correspondenzkarte« genannt, von der Postverwaltung des deutschen Kaiserreichs eingeführt. Rasch etablierte sich dieses neue Medium, das im Gegensatz zum Brief offen verschickt wurde, als praktische und kostengünstige Möglichkeit, um Grüße und kurze Nachrichten zu versenden. Der geringe Aufwand und das niedrige Porto führten zu einem Aufschwung der Postkarte: Bereits 1879 beförderte die Deutsche Reichspost um die 120 Millionen Karten jährlich.2 Anfangs war eine Seite der Karte ausschließlich für Adresse und Briefmarke reserviert, die andere Seite konnte beschriftet werden. Ab 1897 wurden Bildpostkarten mit professionell gedruckten Motiven angeboten und gewannen rasch an Popularität: Dekorative Glückwunschkarten und bald auch Ansichtskarten kamen auf den Markt. Entscheidende Voraussetzung für die Nutzung von Postkarten für künstlerische Zwecke war im Februar 1905 die Aufteilung der Anschriftenseite in ein Adress- und Textfeld, sodass sich auf der Rückseite eine freie Fläche zur Gestaltung ergab.3 Bemerkenswerterweise fiel diese Neuerung mit der Gründung der Künstlergruppe »Brücke« im Juni 1905 in Dresden zusammen. Gerade im vorgegebenen kleinen Format sowie in der Verknüpfung von selbstgeschaffenem Bild und Text lag der besondere Reiz des Mediums – zwang die Postkarte doch zur Reduktion der Gestaltungsmittel, für aufwändige oder repräsentative Darstellungen kam sie nicht infrage. Hinzu trat die Unkompliziertheit der schriftlichen Kommunikation. Und schließlich begünstigte die Tatsache, dass die Postzustellung mehrmals täglich – in den Städten gar drei- bis viermal – erfolgte, die außerordentliche Beliebtheit dieses Nachrichtenmittels, auch und gerade in den Reihen der Künstlerschaft der frühen Moderne.4 Bilder und Botschaften von Erich Heckel Beim Blick auf die Motive und Mitteilungen von Erich Heckels Postkarten lassen sich verschiedene Typen und Motivationen beobachten. Seine Bildschöpfungen offenbaren ein weites Spektrum zwischen flüchtiger Skizze und ausgearbeiteter Komposition. Auch die Bandbreite der Nachrichten spannt den Bogen vom einfachen Gruß an Freunde über komplexe Mitteilungen zu Geschäftlichem bei »Brücke« oder zum eigenen Schaffen bis hin zu persönlichen Worten an seine Frau. Dabei können Bild und Text als Einheit aufeinander bezogen sein, aber auch unabhängig voneinander erscheinen, wie z. B. auf der Karte Liegender Akt im Wald von 1910, wo einem idyllischen Moritzburg-Motiv die knappe Schilderung der »Brücke«-Ausstellung in der Dresdner Galerie Arnold gegenübergestellt ist (S. 102). Heckels Lebens- und Schaffensphasen spiegeln sich analog zu seinem Werk auch im Facettenreichtum seiner Postkarten. Während in der »Brücke«-Zeit spontane Eindrücke von verschiedenen Orten und Erlebnissen im Mittelpunkt standen – aus dieser Brücke gratuliert, 1909
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